Fifteen Seconds – das Marketing-Festival und die spielerische Verdichtung der Zeit

15 Seconds
Aus den Marketing-Rockstars wurde 2016 das Fifteen Seconds Festival, das internationale Vordenker im Bereich Marketing und Medien vor den Vorhang holte.

arch_400Nach extrem dichten Tagen am 16. und 17. Juni haben die neuen Marketing-Rockstars also wieder die Bühnen der Grazer Messe verlassen. Europas Festival für Vordenker wurde durchaus seinem Namen gerecht – interessierte Besucher mussten sich allerdings gut vorbereitet in die Fülle des Angebots stürzen – Fifteen Seconds war laut Managing Partner Stefan Stücklschweiger und Thiemo Giellissen „mehr als doppelt so groß“ wie die Marketing Rockstars 2015. Es galt also für Besucher, Vorträge und Master Classes oft gleichzeitig auf insgesamt fünf Schauplätzen zu koordinieren aber vor allem: weise zu entscheiden. Kein leichtes Unterfangen, entpuppten sich doch bisweilen große Redner als Inhaltszwerge. Aber dazu später.

Eine sehr gute Organisation bereits im Vorfeld machte den Einstieg in das große Festival leicht und hatte man erst herausgefunden, wo die verschiedenen Bühnen zu finden waren (was durch die zahlreichen freundlichen Mitarbeiter doch rasch möglich wurde), blieb tatsächlich „nur“ die schwierige Entscheidung der Themenauswahl und manchmal eben das Switchen zwischen den Vorträgen, wenn Erwartungen nicht erfüllt wurden. Die thematische Ausweitung des Festivals von puren Marketingfragen auf Design, Technik, Team- und Unternehmensleitung, Journalismus und mehr war mit Sicherheit eine gute Entscheidung, denn das brachte eine inhaltliche Bandbreite in die beiden Tage, die bei noch besserer Kommunikation davor wohl ein noch größeres Publikum angelockt hätte.

Fifteen Seconds BaellebadJung und hip

Auffallend und doch etwas irritierend war, dass sich vorwiegend ein besonders junges Auditorium einfand (Gibt es über 35 keine Vordenker mehr? Interessieren sich 40-Jährige nicht für die Zukunft?! Wird Marketing unterschätzt und an die Jungen „abgeschoben“?) und das Festival von einer verspielten, gut gestylten, reichlich tätowierten und trendbärtigen Generation Y bevölkert schien: Äußerst sympathisch war das Pausenfüller-Angebot für alle, die zwischendurch unterhaltsam abschalten und ihre Köpfe von den Smartphones erheben wollten: Bällebad, Riesenschaukel, kleine Tischtennis-Tische und Geschicklichkeitsspiele wurden mit hohem Spaßfaktor genutzt.

Nach den ersten Vorträgen wurde bald klar, dass eine „Master Class“ im kleineren Rahmen meist nicht mehr bedeutete als ein Vortrag, dem ob des reduzierten Platzangebots nicht alle Interessierten beiwohnen können, was sehr schade war, während das Factory Loft, der zweite große Saal, nicht immer voll ausgelastet war. Aber für die perfekte Einschätzung der Anziehungskraft von Vortragenden und ihren Themen reicht es vielleicht wirklich nicht, Vordenker zu sein (und wer kann schon hellsehen)?!

Natural Leadership

VR2_300Aus dem riesigen Angebot war es möglich, sich viele Anregungen und Informationen mitzunehmen. So bot der hochinteressante Einblick in die Virtual Reality durch Peter Gocht von Serviceplan eine klare Übersicht über die Möglichkeiten und den derzeitigen Einsatz von 360° Videos und VR. Mit VR-Brillen ausgestattet (siehe großes Beitragsbild) wurde den Fakten und Zahlen ein tolles Erlebnis hinzugefügt – eine perfekte Master Class, die durch Gespräche im kleinen Rahmen mit dem Vortragenden abgerundet wurde. Red Bull Air Race-Pilot und Teamleiter Hannes Arch vermochte wie erwartet die große Factory locker zu füllen und sprach über sein „Natural Leadership“, das ihn das Leben selbst gelehrt hat. Neben sehr persönlichen Ausführungen über seine Herkunft und berufliche Laufbahn bot er eine Art Motivationsvortrag über die Grundthemen, die ihn von der jugendlichen Kletterei bis jetzt in sein berufliches Wirken begleiten: Verantwortung (sich selbst und anderen gegenüber), Vertrauen (in die Partner und das Leben selbst), das Unerwartete erwarten, den Moment leben. So weit, so bekannt.

„Happiness is a choice!“

Moench_400hEine wunderbare Möglichkeit, den Moment zu leben, bot bei Fifteen Seconds der tibetanische buddhistische Mönch Thubten (Kagyu Samye Ling Monastery), der zum Thema Stress Management mit großen Firmen (wie z. B. Google) zusammenarbeitet und auf dem Festival mit seinem 20-minütigen Vortrag plus Meditation die Menschen fesselte. Mit einfachen Worten vermochte er das wahrscheinlich größte Missverständnis in puncto Meditation und Stress Management aufzuklären: „Meditation is much more than stress management … we learn to train our mind.“ Wir trainieren unseren Geist, um frei zu werden von automatischen Reaktionen – und erfahren dadurch, dass wir die Wahl haben: „Happiness is a choice!“ In einer kurzen Achtsamkeitsmeditation mitten unter vielen Menschen inmitten des Festivals wurde erfahrbar, dass man auch mit einer Menge Umgebungsgeräuschen der inneren Stille lauschen kann.

 

Nach William Gibsons Ausspruch „The future is already here – it’s just not evenly distributed“ war es durch die erfreuliche Vielfalt beim Fifteen Seconds Festival möglich,zahlreiche Ein- und Ausblicke zu gewinnen und vor allem selbst so manche Pläne, Gedanken, Visionen weiterzuspinnen – auch gemeinsam mit den vortragenden Vordenkern. Ob es nun der erstaunliche Ralf Belusa (siehe Youtube-Video), Kaylee King-Balentine von The New York Times, Joey Marburger von The Washington Post, die Bloggerinnen-Gruppe bei der Podiumsdiskussion (mit Madeleine Alizadeh/DariaDaria, The Daily Dose, Lady Venom …) oder Pascal Dulex über die Firmenstruktur von Freitag waren, jeder brachte mit seiner Sichtweise ein bisschen Licht ins Dunkel der Zukunftsprognosen und vermittelte zumindest eine Ahnung davon, was wir im Bereich von Medien und Marketing vielleicht zu erwarten haben. Mag das nun als „erschreckend realistisch“ – wie es Peter Gocht in Hinblick auf Virtual Reality ausdrückte – oder auch als befreiend empfunden werden, wie zum Beispiel die aktuelle Firmenstruktur von cleverclip, präsentiert durch den heute 25-jährigen Gründer Carlo Badini – die Schlüsse aus all den erlebten Reden der Visionäre zieht jeder selbst.
Wir freuen uns definitiv  auf die nächsten Fifteen Seconds 2017.

 

Alle Bilder: Rief-Taucher