Er wuchs im Kunst-Vakuum der Weststeiermark auf, sie mit Künstler-Eltern in Wien. Ein Ateliergespräch über Wettbewerb, Freiheit und das Einzigartige.
Familie Sengl ist definitiv eine spannende und eher seltene Konstellation: Sowohl Vater und Tochter als auch die Mutter Susanne (Lacomb-)Sengl sind bildende Künstler – doch während Peter und Deborah sich ausschließlich und mit bemerkenswert intensiver Ausstellungstätigkeit und kreativem Output der Kunst widmen, hat sich Susanne aus dem Kunstgeschehen zurückgezogen. In der ehemaligen Wiener Werkstätte in der Neustiftgasse öffnen sich für die VIA-Redaktion die Ateliertüren von Peter und Deborah Sengl. Vater und Tochter arbeiten hier „gegenüber“ in ihren geräumigen Ateliers.
Deborah ist in die Kunst „hineingewachsen“; wie war das bei Ihnen, Herr Sengl?
Peter Sengl: Null. Ich habe in der Volksschule in der Weststeiermark schon begonnen zu malen – ich weiß nicht, wie ich auf das gekommen bin –, es hat mich immer interessiert und ich wollte unbedingt nach der Matura nach Wien gehen. Die Bedingung meiner Eltern: Ich darf nicht, falls ich einmal in der Schule durchfalle. Der Zeichenprofessor hat mich dann einmal unterstützt, damit ich eine Nachprüfung machen kann, die hab ich mit Ach und Krach bestanden.
Deborah Sengl: Peters Familie hat sich für Kunst so wenig interessiert wie ich mich für Quantenphysik.
„Ich kenne kaum eine Familie, die so eng ist. Wir gehen sehr vernünftig damit um, dass wir alle Künstler sind.“ Deborah Sengl
Also ging es mit 18 nach Wien …
Peter: Wenn es am Kunstmarkt nicht funktioniert hätte, hätte ich wohl Lehrer werden müssen …
Deborah: Das stand zum Glück ja nie zur Debatte! Mich wollten beide Eltern davon abbringen, es war ein bisschen die Angst da, dass es brotlos und mühsam werden könnte, aber für mich war evident, dass ich Künstlerin werde. Deshalb habe ich gleichzeitig begonnen, Biologie zu studieren – also ich habe die Aufnahmsprüfung auf der Kunstuni gemacht und geschafft. Heute denke ich mir manchmal, zum Beispiel Mikrobiologie wäre gerade jetzt sehr spannend, manchmal bereue ich es auch, aber nach eineinhalb Jahren habe ich gesagt, tut mir leid, aber es wird die Kunst. Wir sind alle drei Freiheitsmenschen, bei der Kunst macht man das, was man will, wann man will und wie man es will, und man ist niemandem Rechenschaft schuldig. Es gibt schon gewisse Dinge, auf die man achten sollte, aber im Prinzip entscheidet man alles selbst.
Peter: Susi hat ja auch Ausstellungen gemacht und Preise bekommen, aber sie wollte diesen Kunstmarkt nicht. Man muss auf der anderen Seite sagen: Wenn meine Frau das auch so ernsthaft betrieben hätte wie ich … Ob das so gut gegangen wäre, weiß ich ehrlich auch nicht – ob da nicht doch eine Spannung aufgekommen wäre.
Gibt es Wettbewerb zwischen Ihnen beiden?
Peter: Eigentlich nicht – ich mache meine Sache, gehöre schon einer anderen Generation an. Die Deborah ist bei den Jüngeren top und ich bin in meiner Generation durchaus bekannt.
Deborah … Und auch top – ja, wir können uns nicht beklagen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis miteinander, wir wissen, wir machen komplett unterschiedliche Dinge, Rankings, die es immer wieder gibt, lassen uns kalt.
Kritisieren Sie einander in puncto Kunst?
Deborah: Kritisieren in dem Sinne tun wir uns nicht. Keine unnötigen Ratschläge – da ist so viel Respekt da. Wir haben genug Abstand und einen anderen Zugang mit unseren Arbeiten.
Die Tierköpfe sind eine Parallele …
Peter: Ich habe das schon gemacht, da war die Deborah noch nicht auf der Welt.
Deborah: Das haben wir beide nicht erfunden, wenn man an die Tiergötter denkt … Natürlich hat mich das sehr geprägt mit den Tieren. Aber wir haben einen ganz anderen Anspruch an unsere Arbeit. Bei mir ist es sehr themenlastig, Peter ist es nicht so wichtig, ein spezielles Thema zu bedienen. Ich arbeite sehr konzeptionell, allein das unterscheidet uns sehr stark.
Peter: Was wir gemeinsam haben: dass man ein Bild von Deborah als ihr Bild erkennt und eins von mir als mein Bild. Das ist mir schon wichtig. Was uns natürlich auch eindeutig unterscheidet, ist die Tatsache, dass du dreidimensional arbeitest, das habe ich auch nie gemacht.
Deborah: Das war für mich vielleicht auch ein Weg, mich zu emanzipieren vom Peter, dass ich etwas gefunden habe, wo ich gesagt hab, das ist meins.
„Ich habe den Anspruch, gesellschaftspolitische Kunst zu machen. Das ist mein persönliches Ventil“ Deborah Sengl
Muss Kunst politisch sein?
Peter: Gute Frage. Ich habe damit nichts am Hut, muss ich ehrlich sagen.
Deborah: Ich habe den Anspruch, gesellschaftspolitische Kunst zu machen – für mich ist es ein Ventil, mit Dingen zurechtzukommen, die mich stören in der Gesellschaft. Kunst muss nicht politisch sein, sie hat die Möglichkeit, es zu sein. Ich will aber nicht missionarisch oder weltverbesserisch sein, das wäre auch naiv.
Ist Vervielfältigung ein Thema? NFT?
Deborah: Ich bin kein Fan der Multiples – das mache ich nur gelegentlich.
Peter: Drucke verkaufen sich relativ schlecht – wer will etwas haben, wovon es 350 Stück gibt? Deborah: Ich mag ja auch Menschen, die einzigartig sind – ein Unikat ist sinnlich. Zu den NFT (Non Fungible Token: digitale Echtheitszertifikate, die an digitale Objekte geknüpft sind, Anm.): Ich mache eine kritische Arbeit dazu – ich kann mich dem nicht verweigern, es interessiert mich. Warum zahlt jemand 100.000 Millionen für ein Werk, das er nicht einmal anschauen kann? Es sagt viel über unsere Gesellschaft aus.
An welchen aktuellen Projekten arbeiten Sie?
Peter: Ich bin wieder ein Porträtmaler – derzeit gibt es in der Sonntagspresse eine Serie über 50 österreichische Legenden von Michael Horowitz.
Deborah: Ich mag es total, mich auf Dinge einzulassen, die ich noch nie gemacht habe. Ich fordere mich selbst gerne heraus. Aktuell mit einer Soundarbeit über die Lärmverschmutzung. „SenCity“ werde ich im Jänner in Innsbruck zeigen.
Claudia Taucher
Beitragsbild: Claudia Taucher