Es gibt Aktivurlaube und Kulturreisen. Was tun, wenn man beides erleben will? Unser royales Radeln an der und rund um die Loire vereint alle Herrlichkeiten sportlicher Natur und kultureller Finesse in zwei Urlaubswochen – vive la France!
„Waaas? Schon wieder ein Schloss?“ Zugegeben, für begeisterungsfähige Menschen ist bereits ein Tag im Loiretal eine Überdosis an positiven Reizen. Aber wir wollten es genau so! La Loire à Vélo: Der Loire-Radweg gehört zu den beliebtesten Zielen für Radtouristen in Frankreich. Wo sonst gibt es einen fast 700 Kilometer langen, bestens gekennzeichneten Radweg ohne nennenswerte Steigungen entlang eines unregulierten Flusses und mitten im UNESCO-Welterbe? 400 Schlösser findet man dort insgesamt und 40 davon öffnen ihre Tore für staunende Touristen und Kunstfans. Mit Radgeschwindigkeit saugt man mehr von der Landschaft auf als im Auto sitzend, man fühlt sich mittendrin in der Natur und durchquert sehr bewusst viele kleine Dörfer von verfallen bis so lala (je nachdem, ob es sich in einem Weingebiet befindet oder nicht) und der erste Anblick eines Schlosstürmchens haut einen immer aus dem Sattel. Sinnbildlich, versteht sich. Denn die Gefahr, eine „Brezn“ zu reißen, besteht aus zweierlei Gründen nicht: Erstens finden wir uns entgegen den Erwartungen im Juni sehr oft allein auf den Radwegen, die – und jetzt kommt zweitens – meist besser geteert sind als so manche Straße hier!
Doch zurück zum Anfang: Der Loire-Radweg führt von Nevers bis zum Atlantik und alle Reiseanbieter folgen dieser Route, bringen das Gepäck in die nächste Unterkunft und der Weg und auch die Zeit sind damit klar vorgezeichnet – ob es nun Schusterbuben regnet oder der Helm bei 36 °C mit der Frisur verschmilzt, es wird gefahren. So viel Reise-Korsett war uns rein gedanklich unbequem, außerdem wollten wir auf den eigenen E-Bikes reiten und spontan entscheiden können, ob wir an einem Regentag Bock auf „nass bis auf die Radlerunterhose“ haben oder doch lieber einen dekadenten Ruhetag einlegen oder eine Schlossbesichtigung ausnahmsweise mit Anfahrt per Auto machen. Wer La Loire à Vélo wählt, muss also zuallererst diese Entscheidung treffen.
Sternfahrten mit dem österreichischen Faktor X
Also planten wir einen relativ kurzen Abschnitt an der Loire ein, nämlich von der einstigen Königsresidenz Blois
bis Saumur, wo uns die Höhlenwohnungen und unterirdischen Schlösser lockten, und suchten uns für je fünf Tage eine Unterkunft nahe Blois und eine nahe Tours. Die Tagesrouten sollten Sternfahrten zu jenen Schlössern und Sehenswürdigkeiten sein, die wir in den zwei Urlaubswochen nicht versäumen wollten. Ja, das klingt nach Vorbereitung (aber auch Vorfreude), denn bei den Runden waren die Schlossbesichtigungen zu berücksichtigen sowie Zeit für Schabernack wie Café, Flussbetrachtung, Picknickpausen, Sundowner und mehr. Also war klar, dass auch in Frankreich der österreichische Faktor X, nämlich „Schau ma amol, dann seh ma scho“, berücksichtigt werden musste. 350 gemütliche Kilometer waren vorskizziert und ich darf spoilern: Es wurden 450 sportliche Kilometer aus Überzeugung und natürlich blanker Neugierde getrieben – denn neben einigen „Schauen wir da noch um die Ecke!“ wollten wir, ebenso ungeplant, das entzückende Städtchen Chinon (natürlich mit Schloss) am Fluss Vienne nicht links liegen lassen: Hier nippt „Monsieur Claude“ aus den gleichnamigen Komödien mit seiner Multikulti-Familie am geliebten Chinon Rouge.
Die Qual der Wahl …
… begleitet also eine Loire-Reise, denn zu sehen gibt es Herrlichkeiten für viele Wochen. So quetschten wir bereits in die erste Runde drei Schlösser (Achtung, Anfängerfehler!). Die wunderbare Fahrt ging erst durch Chablis-Weinberge, dann durch kühle Wälder zur Pagode, die vom Schloss Chanteloup, zerstört im 19. Jahrhundert, übrig geblieben war. Nach weiteren drei Kilometern erschien Schloss Amboise am Ufer der Loire. All diese Schlösser sind in irgendeiner Weise eine „Erscheinung“: Manche wirken märchenhaft verspielt, manche mondän und elegant, manche sind fast geisterhaft in ihren Gärten versteckt, manche protzen direkt am Ufer – wie Château Royale d’Amboise. Zum nahen Château du Clos-Lucé führt sogar ein unterirdischer Geheimgang, denn François I. besuchte seinen Gast Leonardo da Vinci dort ab 1516 regelmäßig. In den letzten drei Lebensjahren des italienischen Universalgenies konstruierte dieser auf Clos-Lucé zahlreiche Maschinen – Modelle davon sind im Schloss ausgestellt und in den Parkbäumen hängen Gemälde von ihm, die wie ein zarter Hauch zwischen den Blättern anmuten.
Obwohl für Château Chaumont nicht ausreichend Zeit blieb, wurde diese Entdeckung unser persönliches Highlight: Das märchenhafte Schloss ist nicht nur voll von zeitgenössischer Kunst, auch der Park wird alljährlich beim Gartenfestival von internationalen Gartenarchitekten künstlerisch großartig bespielt. Staunen ohne Ende!
Das Schloss am Cher
Jedes der berühmten Renaissance-Schlösser hat seinen eigenen Schwerpunkt, eine eigene Faszination. So ist Château Chenonceau, das wir (als einziges an einem Tag – man lernt dazu) tags darauf besuchten, im Grunde eine zweigeschossige Brücke über den Fluss Cher, ein kluges Werk von Katharina von Medici, die den Franzosen mit dem Gebrauch der Gabel im 16. Jahrhundert auch Esskultur aus Italien mitbrachte. Voilà!
Groß, größer, Chambord!
Viel weiter westlich am Cher, kurz bevor er in die Loire fließt, liegt Château Villandry, dessen spektakuläre Renaissance-Themengärten sich auf drei Ebenen über sieben Hektar erstrecken. Vom Kräutergarten über Wasser-, Gemüse- und Obstgarten bis hin zum Liebesgarten finden sich hier genug Möglichkeiten zum Lustwandeln, Spazieren, Genießen und Ausruhen.
Viel weiter westlich am Cher, kurz bevor er in die Loire fließt, liegt Château Villandry, dessen spektakuläre Renaissance-Themengärten sich auf drei Ebenen über sieben Hektar erstrecken. Vom Kräutergarten über Wasser-, Gemüse- und Obstgarten bis hin zum Liebesgarten finden sich hier genug Möglichkeiten zum Lustwandeln, Spazieren, Genießen und Ausruhen.
Brézé und das Leben im Tuffstein
Ein besonderes Schloss ist auf alle Fälle ebenso hervorzuheben: Château de Brézé bei Saumur ist vor allem unter der Erde eine Sehenswürdigkeit: Seit 2000 sind hier die unterirdischen Gänge und Siedlungen mit Ställen und Vorratskellern freigelegt und zu besichtigen, diese wurden vermutlich schon im 9. Jahrhundert als Höhlen angelegt und boten Schutz vor Eindringlingen. In der Gegend um Saumur finden sich zahlreiche Höhlen(wohnungen), etwa im Höhlendorf Tourquant. Der dabei abgebaute Tuffstein – ein weicher Kalkstein – wurde wiederum für den Bau von Gebäuden und auch Schlössern verwendet.
Viele Arten, das Leben zu genießen
Savoir vivre – die Kunst, das Leben zu genießen – hat viele Gesichter. Wir gaben dem sportlichen und historisch-künstlerischen Genuss den Vorzug, wissend, dass Weinverkostungen und Haubenlokale unsere Wege säumten. Da wir nach einem üppigen Frühstück oft gerne über Mittag auf dem Rad saßen, freuten wir uns am Nachmittag über die kleinen Lokale Guinguettes an den Flussufern, wo man uns wenigstens mit kalter Kost versorgte. Feiner französischer Rotwein als Begleitung war dann die royale Rettung für hungrige Radlertouristen …
PS: Beim nächsten Mal schaffen wir’s bis zum Atlantik!
Info
La Loire à Vélo
Wir planten die Radtouren mit der App Bikemap. In der Premiumversion kann man die Touren offline nutzen. Online-Navigation verbraucht viel Akku und die Verbindung kann unsicher sein. Großartig im Loiretal: Hier geben Autofahrer den Radlern tatsächlich Vorrang – ein gutes und sicheres Gefühl!
bikemap.net
Loire-Radweg: loire-radweg.org
Loire-Schlösser: chateaux-de-la-loire.fr