Wo Moscheen und Nachtklubs, Ost und West, ehrwürdige Historie und „coole“ Zeitgenosschenschaft vereint sind: ein Besuch in der energiegeladenen Metropole Istanbul.
Es riecht nach Muscheln, Kaffee, frischen Sesamkringeln, Schokolade und Iskender Kebap. Unter anderem. Ein Gang durch die drei Kilometer lange İstiklâl Caddesi, die heimliche Hauptstraße von Istanbul, ist nicht nur ein sinnliches Erlebnis für die Nase. Spätestens wenn es dunkel wird, promenieren hier Abertausende, sehen unter anderem den Feuerzauberern, den humorvollen Kunststücken der Eisverkäufer, den anatolischen Musikgruppen oder dem Althippie, der sich liebevoll um herrenlose Katzen kümmert, zu. Aus den Häusern, in denen Klubs untergebracht sind, wummern Techno und House, Altwarensammler bahnen sich zum Klang der Muezzine den Weg, inmitten des Getümmels rattert die altehrwürdige Straßenbahn, die zwischen Taksim und Tünel verkehrt. In der İstiklâl tobt das Leben. Rund um die Uhr. Ein vitales Herz einer ebensolchen Stadt.
„Coolste Stadt Europas“
Istanbul. Seit Jahrhunderten eine Stadt mit Weltgeltung, ein Ort, an dem unterschiedliche Kulturen, Religionen, auch Meere und Kontinente aneinanderstoßen. Mittlerweile leben rund 16 Millionen Einwohner in der Stadt, in der osmanische Historie und urbane Zeitgenossenschaft parallel existieren, in der sowohl Islamisten als auch westlich orientierte Hedonisten ihren Hauptwohnsitz haben. Hier eine prachtvolle, von Sinan entworfene Moschee, da der schillernde Nachtklub, der auch sein Scherflein dazu beiträgt, dass das US-Magazin „Newsweek“ Istanbul als „coolste Stadt Europas“ bezeichnet. Doch Istanbul ist weit mehr als bloß cool. Mit dem reichen Erbe von Byzanz und Konstantinopel ausgestattet, gilt die Stadt als Musterbeispiel für das Zusammenwachsen von Ost und West und ist mittlerweile längst zur Megacity mit vielen Reizen – unter anderem Kulinarik, Kunst, Design oder Shopping – aufgestiegen.
Aufstrebende Kunstviertel
Die hohe Lebensqualität der am Bosporus, Goldenen Horn und Marmara-Meer gelegenen Stadt genießen nicht nur Menschen, auch Tausende von Katzen. Sie sind fast schon heilige Tiere der Stadt, schlafen in aus Karton errichteten Häuschen oder auf Autodächern, werden von der Bevölkerung gefüttert, haben Zutritt zu Boutiquen ebenso wie zur Hagia Sophia, eine der vielen Topattraktionen der Stadt. Erst Kirche, dann Moschee und heute Museum: Die atemberaubende Architektur hat alle historischen Wirrnisse überdauert, die Größe des Gebäudes wird erst im Inneren spür- und erlebbar. Lang ist die Liste der Istanbuler Moscheen, neben dem Pflichtbesuch in der 1609 in Auftrag gegebenen Sultanahmet Camii (Blaue Moschee) empfiehlt sich ein Abstecher in die beim Gewürzbasar gelegene Rüstem Paşa Camii: Reicher Fayenceschmuck entmaterialisiert die Architektur, hier kann man ruhen, den Gebeten zuhören oder einfach nur schauen.
Den Lesern des Nobelpreisträgers Orhan Pamuk ist der Stadtteil Beyoğlu wohlbekannt. Wo einst Rotlichtbetriebe situiert waren, liegt mittlerweile, dank der Gentrifizierung, etwas in der Luft, das an Großstädte wie New York oder Berlin erinnert: Schicke Szenelokale finden sich neben traditionellen Teehäusern, wo vormittags das typische Frühstück – unter anderem mit salzigem Käse, Gurken, Hummus sowie Honig und Schlagobers – serviert wird, nuckeln einheimische Bobos abends an ihren „Bomonti“-Bierflaschen. Die Zahl der Galerien und der Kunsthandwerkläden wächst in Beyoğlu ständig, in den Altwarengeschäften – allen voran im wunderbaren The Works „Objects of Desire“ – kann man Atatürk-Teppiche, Derwisch-Figürchen, alte türkische Filmplakate oder islamische Amulette (Muska) zu Schnäppchenpreisen erwerben.
Die Geschäfte im großen Basar sind hingegen schon einmal besser gegangen. Das Ausbleiben von Touristen führt dazu, dass nicht nur die Teppichhändler ihre Preise reduziert haben. Der obligate Apfeltee bei den als Ritual zu verstehenden Verkaufsverhandlungen ist freilich gratis. Wer dem hohen Geräuschpegel im Basar, aber auch auf den Straßen, auf denen bisweilen Anarchie zu herrschen scheint, entfliehen will, dem sei ein Fährenausflug auf die Prinzeninseln (Adalar) angeraten. Nach einer Stunde Fahrzeit, die ob der improvisierten Verkaufsperformances von solchen, die Gurkenschäler oder Zitronenpressen anbieten, wie im Flug vergeht, betritt man etwa auf Büyükada eine Oase der Ruhe. Üppige Vegetation und historische Holzhäuser prägen die autofreie Insel, in deren stilvoller Nobelabsteige „Splendid Palas“ einst auch Republikbegründer Atatürk gefeiert hat. Mit Raki, versteht sich.
INFO
Von Graz nach Istanbul
Seit Kurzem fliegen die Turkish Airlines direkt von Graz nach Istanbul.
Abgehoben wird jeweils montags, mittwochs, donnerstags und samstags um 15.40 Uhr.
Beitragsbild: (c) Martin Behr