Interview bei einem Drink mit Leo Kysèla und Slow Songs

Leo Kysèla | Foto: Manfred Pichler
Interview bei einem Drink mit Leo Kysèla? Geht sich garantiert nicht aus. Wer mit dem heimischen Soul-Großmeister über fünf Jahrzehnte Musik spricht, beginnt bei Woodstock und Schlaghosen.

Ludwig van Beethoven, Janis Joplin, Justin ­Bieber, „Die fidelen Humtataler“ und Ralph ­Siegel . . . Sie alle haben in irgendeiner Weise mit der ereignisreichen Musikerlaufbahn von Leo Kysèla zu tun. Anlässlich seines 30-jährigen Souly-­Nights-Jubiläums treffen wir uns abseits der Bühne in Leos „zweitem Wohnzimmer“, dem „Santa Lucia“ am Grazer Lendplatz. Der steirische „Soul Singer“ brennt immer für die Musik, egal, ob man ihn nun entspannt in der Bar oder konzentriert auf der Bühne erlebt.

Auf verschlungenen Wegen ist Leo bei ­„Kysèla­ pur“ angekommen: „Ich verspüre heute auf der Bühne eine unglaubliche Freiheit. Ich muss mir und meinem Publikum nichts mehr beweisen“, strahlt der bestens ­gereifte Musiker, der sich der Standing Ovations bei jedem seiner Auftritte sicher sein kann.

Leo Kysèla | Foto: Karim Zaatar

Foto: Karim Zaatar

30 Jahre Souly Nights, 3.000 Auftritte, 13  CD-Alben, 50 Jahre Musik …! Wir blicken wie der Auftakttitel seiner neuesten Live-CD „Back in the Days“: Ganz klassisch verliebte sich der 12-jährige Leo in die Gitarre des größeren Bruders und so war der Auftritt anno 1970 (siehe Foto unten) mit Schulfreund Erich und wenig später als „The Duo“ im damaligen Haus der Jugend und dem heutigen Orpheum logische Konsequenz und Startschuss für sein Leben auf der Bühne.

„Der Wunsch, Musiker zu sein, war groß“ und sein außergewöhnliches Intervallgehör wurde schon in der Schulzeit im Keplergymnasium bewundert – „einmal aufstehen und singen, und das Sehr gut war gesichert“, lacht Kysèla mit seiner einzigartigen, tiefen Stimme herzlich im Rückblick.

Mitte der Siebzigerjahre wuchs er „beim großen Bandsterben“ in die Musikszene – Woodstock war Geschichte und der West Coast Soul, aus dem sich später Disco entwickeln würde, schwappte über den Großen Teich. Aber der musikalische Einfluss von Janis Joplin, Bob Dylan, „Crosby, Stills, Nash & Young“ und Co. blieb groß und das Woodstock-­Lebensgefühl, „diese positive Energie saugten wir auf, das war ein Flash für uns“, erinnert sich Kysèla. In Schlaghosen und mit langen Haaren galt man damals als „Gammler“ in Graz und fing sich meist ein Lokalverbot ein – ohne anderweitig negativ aufzufallen. Der Protest gegen die „verstaubte“ Elterngeneration war Manifest. Wilfried, der spätere „Austro-Popper“, wurde für die Kellerdisco des Jugendzentrums CA6 in der Albrechtgasse engagiert und zu den ruhigen Cohen-Klängen ließ es sich bestens romantisch mit den Mädels tanzen.

Kysèlas erstes Soloprojekt nannte er „Tall Man Leo“ – doch der große Blonde mit den blauen Augen erkannte schon früh: „Als Künstler alleine zu spielen ist schön, mit anderen guten Musikern ist’s aber noch schöner!“ Der Special Support beim Auftritt der gehypten Song-Contest-Teilnehmer „Schmetterlinge“ darf als Highlight aus den Siebzigern genannt werden. Mit „DasRockZoo“ schnupperte Kysèla
kurz ins Rockkabarett.

Viele unterschiedliche Musiker begleiteten ihn auf seiner Laufbahn. Der bekannte Vibraphonist und damalige Schlagzeuger Berndt Luef spielte in Kysèlas erster Band „Mirror“, ebenso an seiner Seite waren der raue Blueser Ripoff Raskolnikov und auch Sigi Ritter, der bei „Fezz“ und der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ die Trommeln schlug. Später holte Kysèla den Gitarristen Lovro Novak aus der legendären „Kottans Kapelle“ und komplettierte damit die „Power Project Band“.

Andocken bei Jupiter Records

Die Musik blieb immer im Fokus, obwohl das herbeigesehnte Leben als Berufsmusiker außer Reichweite schien. Deshalb hatte sich der vernunftbegabte Leo für das Architekturstudium in Graz entschieden, das er 1985 auch abschloss. Die Weichen für eine „bürgerliche Karriere“ waren gestellt, seine Beschäftigung mit alternativen Bau- und Energieformen sollte gemeinsam mit einem Kompagnon in ein eigenes Unternehmen führen.

Leo Kysèla | Foto: Gernot Harter

Foto: Gernot Harter

Dann jedoch ging es, wie man so schön sagt, Schlag auf Schlag: Die erste Single wurde aufgenommen und mit dieser im Gepäck fuhr man Richtung Hamburg. Auf halbem Weg blieb Kysèla in München hängen, und der Grund dafür hätte lukrativer kaum sein können: Ralph Siegel mit seinem Label Jupiter Records zeigte sich beeindruckt und ein Drei-Jahres-Vertrag wurde unterzeichnet. Dieser vielversprechende Start fand jedoch ein jähes Ende – Leos Manager Johann Hausner (Ambros, „Opus“) verun­glückte kurz vor der LP-Präsentation tödlich und Leo ­Kysèla stand nach vielen Monaten, die er intensiv seiner Musik gewidmet hatte, vor der Scheidung. „Der absolute Tiefpunkt“, kommentiert er heute.

Wenn die Not am größten …

. . . ist Gott am nächsten“, zitiert der Musiker in diesem Zusammenhang ein altes Sprichwort, das ihm passend scheint für den folgenden Auftakt in sein neues Musikerleben gemeinsam mit dem Percussionisten Robert Stützle. Die beiden geschiedenen Singles waren permanent unterwegs und eroberten im Sturm die Bühnen vieler Musikklubs und Lokale in Österreich und Süddeutschland . . . und ganz klassisch für das wilde Rock-’n’-Roll-Leben auch zahlreiche weibliche Groupies. „Take a Walk on the Wild Side“ stand nicht nur auf der Playlist ihrer zahlreichen Auftritte.

Den Film „Alice’s Restaurant“ (1969), für den Arlo Guthrie (Sohn des legendären „House of the Rising Sun“-Woody) Drehbuch und Musik geschrieben hatte, nennt Kysèla als Leuchtturm junger Jahre. „So muss es sein, das ist mein Leben“, dachte Leo bei diesem Film. Seit jener intensiven Zeit „on the road“ wird dieser Traum gelebt.

Das Musizieren steht im Vordergrund

Erfolgreiche Jahre mit den „Pretty Bastards“, mit Fritz Jerey, mit „Todd69“ im pinken Over­all, mit Stefan Wedam, Blues- und Housemusic inklusive Gerd Webers Didgeridoo folgten – bis Leo Kysèla erkannte, dass man sich mittlerweile schon mehr Gedanken um die Show machte als um die Musik. „Irgendwann hört man auf, von warmen Eislutschern zu träumen“, lächelt Kysèla und kommentiert damit seine radikale Hinwendung zurück zu: Musik pur. Und Musik pur, das bedeutet ganz einfach „Kysèla pur“. Der Sänger mit der unglaublichen Soulstimme, die immer und vor allem in Verbindung mit Slow Songs am besten angekommen war und für eindrucksvollste Gänsehautmomente
sorgt, wurde ins Zentrum gerückt.

Bescheiden will Kysèla hier als Manager zitiert werden („alles andere würde überheblich wirken“), der ab sofort das „Projekt Kysèla“ ins Leben rief. „Im Ensemble ist jeder Musiker gleich wichtig, aber in der Vokal­musik ist für das Publikum der Vokalist die Hauptperson. Deshalb müssen ihn seine Musiker so stark wie möglich machen.“ Stark ist der Sänger Kysèla heute wie eh und je – in den hohen, kraftvollen, mitreißenden Tonlagen genauso wie in den tiefen, zarten, samtigen. Er selbst verehrt Norah Jones’ Stimme und Justin Biebers Sängerqualitäten, denn an den Balladen kannst du sie erkennen, die Meistersinger. Kysèla: „Slow Songs sind die höchste Liga.“

Heute lässt der Klassik-Fan (u. a. Beethoven, Mozart, Bach) – nach einer Phase mit Percussion und Bläsern – die Saiten schwingen. Mit den Brüdern Christoph und Giorgio Hammer als „The String Hammer“ geigen im wahrsten Sinne zwei Vollprofis an seiner Seite auf. „Es macht sehr viel Spaß“, freut sich der erfahrene Musiker, der jungen gerne eine Bühne gibt. Dass Sohn Jacob das Merchandising übernommen hat und zu seinen Fans zählt, erfüllt ihn mit Stolz.

Nach einem Sommerkonzert am 29. Mai im Sausal feiert Kysèla mit „The String Hammer“ und Special Guests im Dezember auf dem Grazer Schloßberg „30 Jahre Souly Nights“.

Für 2020 ist das 14. Album geplant – Leo Kysèla und seine Fans freuen sich auf noch mehr „Stringtime“!

Save the date: Sommerkonzert
Sein einziges Sommerkonzert gibt der „Soul Singer” Leo Kysèla am Mittwoch, 29.  Mai.
Wer die Wartezeit bis zu den Souly Nights überbrücken will, kommt ins südsteirische Weingartenhotel Harkamp im Sausal und genießt
zur Musik Leos „Soul Beer”.
www.harkamp.at

Neue CD
LEO KYSÈLA: Live @ Auster Summer Splash 2018
Featuring The String Hammer
2018, KyGripp music
www.soul.at 

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

Beitragsbild: Manfred Pichler