30 Jahre Theater im Bahnhof – „Das Ensemble ist der Star“

Theater im Bahnhof | Foto: Johannes Gellner
Die freie Theaterszene der Steiermark agiert auf sehr hohem Niveau und schreibt längst Geschichte. Einige Theatermacher bespielen seit Jahrzehnten die Bretter, die die Welt bedeuten. So auch Ed. Hauswirth, der vor 30 Jahren die „Star-Schmiede“ Theater im Bahnhof gründete.

Momentan zählt „LAUT!“, der Landesverband für außerberufliches Theater, insgesamt 188 freie Theatergruppen und Performer. Theater- und Schauspielfreunde können sich in der Steiermark also mehr als glücklich schätzen ob der Fülle und Vielfalt, die ihnen geboten wird. Das Schönste daran ist aber, dass viele von ihnen auf hohem und höchstem Niveau agieren und richtig gutes Bühnenfutter auftischen.

Eine der herausragenden Persönlichkeiten in der Szene ist Ed. Hauswirth, der Gründer und künstlerische Leiter des Theaters im Bahnhof, den wir anlässlich des Jubiläums auf ein Gespräch treffen. Denn vor 30 Jahren entdeckte er als Student für Germanistik und Geschichte aus der Weststeiermark anreisend, dass der Jugendwarteraum am Hauptbahnhof Graz frei ist – „unbespielt“ also …!

Was in der Folge dort entstand, kann man heute getrost als „Star-Schmiede“ bezeichnen. Denn österreichische Schauspielgrößen wie Michael Ostrowski oder Pia Hierzegger sind aus dem Theater im Bahnhof (TiB) hervorgegangen und sie gehören nach wie vor zum Ensemble, dessen Mitglieder allesamt professionell agieren. Ed. Hauswirth selbst ist als Regisseur Träger des Nestroy-Preises 2014 für die beste Off-Produktion „Der diskrete­ Charme der smarten Menschen“. Er war 15 Jahre lang Landesspielberater für außerberufliches Theater in der Steiermark und führt(e) auch Regie bei MASCHEK und den Rabtaldirndln. Außerdem ist er als Schauspieler, Moderator und Theaterworkshopleiter tätig.

Die Gruppe ist der Star

„Das Theater im Bahnhof begann aus einer studentischen Amateurtheaterarbeit“, erzählt Ed. Hauswirth über die erste Zeit. „Ein-Tritt ins Leben“ von Herwig Kaiser mit Ingo Wamperas Taschentheater Graz und Nigel Williams’ „Klassenfeind“ waren die ersten Premieren im Jugendwarteraum. 1990 begann laut Hauswirth der Gruppenfindungsprozess und man organisierte sich Schauspieltraining bei Willi Bernhart. Eine Kurzauflösung folgte, man raufte sich wieder zusammen.

Die meisten der Ensemble­mitglieder sind nun schon seit Jahrzehnten dabei: Beatrix Brunschko, Monika Klengel, Juliette Eröd, Eva Hofer, Helmut Köpping, Martina Zinner, Lorenz Kabas, Gabriela­ Hiti und Rupert Lehofer. Wie kann eine solche Stabilität über einen so langen Zeitraum gehalten werden? „Im Zentrum stand immer: Das Theater-Kollektiv ist der Star und nicht der Einzelne“, erklärt Ed. „Gibt es anderweitige Engagements, hält man einander den Rücken frei. In einer Schwächephase­ hat man die Möglichkeit, in die zweite Reihe zu gehen.“ So viel zum praktischen Aspekt. „Mich freut sehr, dass wir einen zweiten Kreis solidarischer Menschen haben wie Michael Ostrowski oder Andreas Kiendl“, so Hauswirth.

Die Quadratur des Kreises

Theater im Bahnhof | Foto: Johannes Gellner

TiB gibt Trakl –
Theatermontage von 1993 Foto: Johannes Gellner

Das TiB zählt heute 15 künstlerische Angestellte und „alle haben den Weg in die Professionalität gemacht“. Hauswirth: „Das TiB hat sich immer selbst um Ausbildung bemüht und sich die Kompetenz erarbeitet.“ Nach Bernhart waren u. a. Abel Solares, Volker Klotz und auch Monika Schmidt wichtige Lehrmeister für die Truppe. „Wir haben Leute im Ensemble, die anno dazumal nicht an der Schauspielschule genommen wurden und heute selbst an der Kunstuni unterrichten“, lächelt Ed. Hauswirth vielsagend.

„Das TiB profitiert natürlich von der Bekanntheit einzelner Mitglieder“, freut sich der TiB-Leiter. Wenn alle Engagements unter einen Hut gebracht werden und die Produktionen laufen sollen, wird es manchmal aber schwierig und eine „Quadratur des Kreises – wir haben zwischendurch immer Phasen, in denen die Teamsitzungen über Skype funktionieren. Das ist geil, aber ­anstrengend!“, fügt der Theaterleiter hinzu.

Aber: „Vitalität ist das Kennzeichen vom Theater im Bahnhof“, ist er überzeugt. Hauswirth – und ganz offensichtlich auch das treue Publikum – schätzt „die Neugier und die vielen Interessen“, die sich im Theater-Kollektiv sammeln. Dazu die Theater­macherlogik: „Jeder von uns kann ein Projekt aufziehen. Jeder kann Regie führen. Viele haben dadurch verschiedene Profile entwickelt“, verweist Ed. Hauswirth auf einen weiteren Erfolgsfaktor, der mit Sicherheit auch die Begeisterung und Leidenschaft bei allen Beteiligten wach hält. Wach bleibt auch der Blick auf die Lebenswelten, auf die Stadt Graz im Besonderen. Gesellschaftskritik war ein beständiger roter Faden, „der immer stärker wurde“, bestätigt Hauswirth: „Kritisch im Wortsinn – das Verstehen von Dingen, das Erkennen.“

Innovativ mit großen „Spielmuskeln“

Wach agiert das TiB auch generell innerhalb der Theaterszene. So begann man, Brücken zum Schauspielhaus Graz zu schlagen, dessen Zusammenarbeit mit der Off-Szene seit der ersten gemeinsamen Produktion mit gemischtem Ensemble im Jahre 2001 eine Selbstverständlichkeit darstellt. Alle Produktionen für den steirischen herbst begrüßt Ed. Hauswirth ebenso sehr, „da es eine internationale Sichtbarkeit produziert und auch Absicherung für uns bedeutet“.

Innovativ ist das TiB auch auf dem Gebiet des Improvisationstheaters – hier nahm das Theater im Bahnhof ebenso eine Vorreiterrolle ein. Hauswirth: „Wir haben die Renaissance der Spielform in Österreich eingeläutet – aus Neugier und Interesse – und starteten 1996 am Standort Lendplatz mit dieser Idee.“ Die Theaterform, bei der das Publikum Themen vorgibt und das Ensemble ohne Text, Regie und Proben Shows und Geschichten live auf die Theaterbühne zaubert, kann als besondere Spezialität des Theaters im Bahnhof bezeichnet werden. Denn seit 1999 überrascht dieses spannende Angebot jeden Montag das begeisterte Publikum.

An diesem „Improtag“ nehmen (fast) alle TiB-Spielerinnen und -Spieler diese Herausforderung an, welche wahre Meisterschaft nicht nur im kreativen Denken und spontanen Entwickeln von Figuren und Geschichten erfordert, sondern auch eine besondere Wandelbarkeit und Spontanität in der Schauspielkunst. „Improvisationstheater ist eine Art Spielmuskeltraining für alle“, zeichnet der Theaterleiter wortgewandt ein fassbares Bild für diesen „spielerischen Umgang mit der Realität. Die Motivation zu spielen ist hoch und zeichnet uns aus“, ist sich Hauswirth der besonderen TiB-Superkräfte bewusst. Der Wettstreit „Improcup“, den 1999 das Theater im Bahnhof ins Leben rief, kann demnach als logische Konsequenz gelten.

Diese und viele andere Spielformate wie ­Serien, Talkshows und mehr bringt das TiB nicht nur auf viele steirische und Wiener Bühnen (Kristallwerk, Orpheum, Schauspielhaus, Kunsthaus, Postgarage, TAG . . .), sondern rund um die Welt: Island, Lagos, Dubai, Nigeria, Sarajevo, Seattle, Deutschland, Schweiz . . . Das pralle Theaterleben findet überall statt.

Da man am liebsten „mittendrin“ lebt und arbeitet, sei der Ideenpool des TiB riesig und reiche „für die nächsten 30 Jahre“. „Wir haben immer kühne Konzepte, oft zu kühn“, lacht Ed. Hauswirth und erzählt von einer Fahrradtour entlang des Eisernen Vorhangs. Auch der Schauplatz Fußballstadion ist bislang (noch) Theorie, aber man weiß ja nie . . . Auf eine 30-Jahr-Jubiläumsfeier warten wir laut Ed. Hauswirth jedoch vergeblich: „Es ist eine Marotte von uns, dass wir Jubiläen nicht begehen.“ Glückwunsch!

Weitere Größen der steirischen Theaterszene…

Theater im Bahnhof | Foto: Michael Traussnigg/THEO

Foto: Michael Traussnigg/THEO

THEO

Das Theater in Oberzeiring bringt seit seiner Gründung 1991 wichtige Impulse in die von Abwanderung betroffene Obersteiermark. Unter der bewährten Leitung von Peter Fasshuber werden pro Spieljahr sechs Eigenproduktionen an zwei Spielstätten – Blackbox und Studiobühne – präsentiert.

Im Frühling werden gleich zwei Premieren gefeiert: Mit „Der Kuss” von Ger Thijs gibt es ab 3. April eine deutschsprachige Erstaufführung, ab 15. Mai kommt „German Love Letters” von Lisa Danulat als österreichische Erstaufführung auf die Bühne.
www.theo.at

 

Theater im Bahnhof | Foto: Clemens Nestroy/TaO!

Foto: Clemens Nestroy/TaO!

TaO!
Für junges Publikum gründete 1992 Manfred Weissensteiner das Theater am Ortweinplatz – TaO! – in Graz. Mit seinen Theaterwerkstätten für Kinder ab 8 Jahren und Jugendliche sowie durch den regelmäßigen Spielbetrieb, in den hauptsächlich junge Menschen eingebunden werden (Schauspiel, Regie, Musik, Bühne), ist das TaO! zu einem wichtigen Zentrum für junge Kunst in Graz geworden. Mit „Heute ist ein guter Tag” steht mit April ein Revolutionsstück am Start, „Das Space Maze Game” testet neue Theaterformen aus und ab 29. Mai winkt das TaO!-Werkstättenfestival „Spielarten”.
www.tao-graz.at

 

Theater im Bahnhof | Foto: Peter Mayr

Foto: Peter Mayr

Theater im Kürbis
Eine Gruppe theaterbegeisterter junger Menschen begann 1971 mit der Kulturarbeit im weststeirischen Wies. Daraus entstand die Kulturinitiative Kürbis, die daneben Ausstellungen und Workshops anbietet und außerdem das Plattenlabel pumpkin records sowie den Verlag edition kürbis betreibt. Die nächste Premiere wird am 5. April mit der „Odyssee” gefeiert.

Seit 27 Jahren richtet kürbis alljährlich das Internationale Puppentheaterfestival aus: Theaterleiter Stefan Eisner lädt vom 9. bis 15. Mai 2019 zum „Sommertraumhafen”, der zum heurigen 30-Jahr-Jubiläum in Wies, Stainz, Bad Radkersburg und St. Stefan o. Stainz über die Bühne gehen wird.
www.kuerbis.at

 

Theater im Bahnhof | Foto: Wegscheidler/Theater im Keller

Foto: Wegscheidler/Theater im Keller

Theater im Keller
Klingt unglaublich, ist aber wahr: Das Grazer Theater im Keller kann sich das älteste freie Theater in Mitteleuropa nennen. Es wurde am 21. September 1951 mit der Theatergruppe „Die Spielvögel” als „Kleine Probenkammer der steirischen Jugend” gegründet und versteht sich seit vielen Jahren als Ur- und Erstaufführungstheater. Seit 1973 in der Münzgrabenstraße beheimatet holt das TiK vor allem (noch) Unbekanntes aus dem Theaterbereich ans Licht. Am 5. April feiert die neue Sitcom „Samys Abenteuer, Teil 1: Fred vom Jupiter” von Martin G. Wanko und Stefan Zinke unter der bewährten Regie von Theaterleiter Alfred Haidacher Premiere. Weitere Termine bis 10. Mai.
www.tik-graz.at

 

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

TiB – Theater im Bahnhof
Elisabethinergasse 27a
8020 Graz
Tel. +43 (0) 316/76 36 20
ticket@theater-im-bahnhof.com
www.theater-im-bahnhof.com

 

Beitragsbild: Johannes Gellner