Pilgern in der Steiermark – Der kürzeste Weg zum Ich und zum Du

Pilgern in der Steiermark | Foto: Steiermark Tourismus/Harry Schiffer
Was auch immer man beim Pilgern in der Steiermark sucht: Das Wichtigste findet man in sich selbst – zum Beispiel die innere Ruhe.

„Ich bin dann mal weg!“ – „Ich will mein Leben neu sortieren“ – „Das Große in der Natur spüren“ – „Gemeinsam wandern und dankbar sein“: Jede und jeder hat einen ganz persönlichen Zugang zum Pilgern und viele verbinden damit eine Wende im Leben oder zumindest eine Gelegenheit, „zu sich“ zu kommen. Innensicht also, Einsichten gewinnen. Vielleicht sogar Antworten auf große Lebensfragen finden. Manche haben dabei Bilder aus Büchern oder Filmen über den Jakobsweg im Kopf – wie etwa die vom deutschen Komiker Hape Kerkeling oder die Trilogie über drei Brüder (mit den Schauspielern Erwin Steinhauer, Andreas Vitásek und Wolfgang Böck), die ihre Familiengeschichte unterwegs aufgearbeitet haben.

Pilgern in der Steiermark | Foto: Steiermark Tourismus/Leo Himsl

Die steirischen Pilgerwege regen nicht nur zur Innenschau an – wie bei den satten Wiesen der Teichalm. Foto: Steiermark Tourismus/Leo Himsl

„Welche Sünden musst du abbüßen?“, war die häufigste belustigte Frage, die mir gestellt wurde, als ich vor einigen Jahren von meinen Pilgerplänen nach Mariazell berichtete. Dieser Zugang zum Wallfahren aber war und ist mir genauso fremd wie ein sportlich-leistungsbezogener. So etwas wie Erleuchtung zu erhoffen, erschien mir nicht nur falsch, sondern völlig überzogen, deshalb machten meine Schwägerin, die meine Wegbegleiterin war, und ich uns mit unserem gemeinsamen Nenner auf den Weg: unserer Liebe zum Gehen, zum genussvollen Wandern in der Natur.

Den „richtigen“ Menschen dabei an der Seite zu haben, ist wesentlich. Da wir uns seit mehr als 30 Jahren kennen, konnten wir das gelingende Miteinander wohl passend einschätzen. Man muss miteinander reden  können und man muss vor allem gut miteinander schweigen können. Miteinander lachen und den Weg genießen: perfekt!

Während man einen Fuß vor den anderen setzt, den duftenden Waldboden wahrnimmt, schwitzt, den steilen Anstieg in den Beinen spürt und jammert, staunend in den Himmel schaut und stolpert, vom Regen durchnässt wird und Blasen an den Fersen bekommt … und viele andere „äußere“ erwartbare oder unerwartete Vorkommnisse mehr, passiert so einiges im Inneren, wenn man es zulässt und wahrnimmt.

Während wir einen Schritt nach dem anderen machen, einen Atemzug nach dem anderen tun, fahren wir – geduldig und still – nach und nach unser Alltagsprogramm im Kopf herunter. Wir tragen doch alles, was wir im Moment gerade brauchen könnten, am Rücken und spüren, dass das genug ist. Wir nehmen wahr, dass wir selbst genug sind für diesen Weg, dieses Vorhaben. Dass alles zu Hause und in der Arbeit inzwischen auch ohne unser Zutun einen guten Weg geht. Dass das Morgen nicht mehr ist als: morgen. Und das Gestern vor allem: vorbei.

Sich mit einer Pilgerreise aus dem Alltag rauszunehmen, mag dieser sich für gewöhnlich wie ein Hamsterrad anfühlen oder auch spannend und dicht mit Terminen gespickt, gehört mit zum Besten einer Wallfahrt. Ein aufgeblähtes Ego („Ohne mich geht gar nichts“) hat die Chance, demütig zu werden, ein kleines Ego („Was hab ich mir nur gedacht, das Ganze ist zu groß für mich“) darf wachsen und Selbstwirksamkeit und Kraft spüren, der ungeduldige Geist („Wann sind wir endlich da?!“) lernt Ausdauer und der Getriebene merkt, dass es nur auf den jeweils nächsten Schritt ankommt.

Wer auf der Pilgerreise erkennt, dass es so viel Größeres gibt als uns Menschen, dass wir manchmal zuversichtlich auf Glück oder eine schützende Hand vertrauen können und dass letztendlich alles vorbeigeht – der Schmerz in den Oberschenkeln genauso wie der sensationelle Sonnenuntergang –, der ist im Grunde bereits angekommen.

Mariazell

Bereits 1266 wurde der Wallfahrtsort Mariazell erwähnt, im 17. Jahrhundert zum Nationalheiligtum und größten Wallfahrtsort der Monarchie. Allein diese imposante Geschichte spricht für diesen Weg beziehungsweise diese Wege. Denn 1980 wurde das Wallfahrerwegesystem 06 eröffnet. Es führt durch sieben österreichische Bundesländer und ist insgesamt 1.400 Kilometer lang.

Pilgern in der Steiermark | Foto: TV Mariazeller Land

Foto: TV Mariazeller Land

Das heißt: Viele Wege führen nach Mariazell, die auch im Schwierigkeitsgrad unterschiedlich sind. Umso wichtiger ist es für alle, die diese imposante Basilika als Pilgerziel auserkoren haben, sich im Vorfeld gut zu informieren und die passende Route zu wählen.

Der im weststeirischen Schwanberg beginnende „Steirische Mariazellerweg” läuft unter leichter bis mittlerer Tour und ist aber – wie wir aus der Redaktion aus eigener Erfahrung berichten können – durchaus nicht zu unterschätzen. Insgesamt sind bis Mariazell 215 Kilometer zu absolvieren.
mariazell.at/wallfahrt/pilgerwege

Benediktweg

Von Stift zu Stift führt in der Steiermark der nach Benedikt von Nursia benannte Benediktweg. Erst kürzlich feierte man am 1. Mai das zehnjährige Bestehen. Der Benediktweg wurde anlässlich der 200-Jahr-Feier der Wiederbesiedelung des Stiftes St. Paul im Lavanttal (Foto o. re.) im Jahr 2009 geschaffen.

Pilgern in der Steiermark | Foto: Stockr/Shutterstock

Foto: Stockr/Shutterstock

Von Spital am Pyhrn wandert man in elf Tagesetappen über Admont (Foto o. li.), Seckau und Maria Buch bis ins kärntnerische Wolfsberg und zum Stift St. Paul bis nach Slowenien: über Slovenj Gradec bis nach Gornji Grad.

Zu den landschaftlichen Höhepunkten zählen der Nationalpark Gesäuse und die Überschreitung der Niederen Tauern. Natur- und Kulturerlebnisse stehen für die Wanderer auf dem Programm. Es gibt einen Pilgerpass, den man online beantragen kann, und sogar das Rezept für einen „Benedikt-Kraft-Kuchen” findet man online.
benedikt-bewegt.at

Hemmaweg

Pilgern in der Steiermark | Foto: Steiermark Tourismus/Harry Schiffer

Foto: Steiermark Tourismus/Harry Schiffer

Das Grab der heiligen Hemma in der hundertsäuligen Domkrypta im kärntnerischen Gurk ist das Ziel des Hemmawegs, der im slowenischen Krain beginnt. Der steirische Abschnitt ist in sieben Etappen aufgeteilt und nimmt beim Stift Admont seinen Ausgang. Somit verbindet der Pilgerweg die beiden Benediktinerklöster, welche die heilige Hemma (mit-)gegründet hatte. Über das Stift St. Lambrecht und eine weitere Route von St. Hemma bei Edelschrott bis letztendlich nach Gurk führt diese Wallfahrt.

Die Hemmaverehrung geht zurück ins Jahr 1607: Hemma von Gurk wollte, so wird auf pilgerwege-kaernten.at die Legende erzählt, in Škofja Loka in Slowenien eine Kirche errichten, aber die Bewohner des Ortes vertrieben sie. Aufgrund der darauffolgenden Missernten beschlossen die Menschen, nach Gurk zu pilgern, um „mit den Füßen zu beten” und die Kärntner Adelige gnädig zu stimmen.
steiermark.com/pilgern

Jakobsweg

Pilger aus ganz Europa strömen seit dem 11. Jahrhundert zu einem der größten Wallfahrtszentren des Abendlandes nach Santiago de Compostela, an das Grab des heiligen Jakobus. Bei der Jakobskirche in Thal bei Graz (Foto) beginnt der Hauptweg des „Weststeirischen Jakobswegs”, der am 25. Juli 2010, Festtag des heiligen Jakobus, eröffnet wurde und nach Geistthal führt.

Pilgern in der Steiermark | Foto: Lunghammer/Shutterstock

Foto: Lunghammer/Shutterstock

Man kann aber auch beim Stift Seckau starten und den Anschlussweg über Kobenz, St. Margarethen, Gleinalmschutzhaus bis nach Geistthal zum Hauptweg nehmen. Weiter geht’s über Bärnbach, Piber, Modriach, Weinebene und Soboth bis nach Lavamünd in Kärnten, wo der Weg auf den südösterreichischen Jakobsweg trifft.

Die insgesamt acht Etappen sind angeblich für durchschnittliche Wanderer zu bewältigen (was unsere Redaktion leider – noch! – nicht überprüfen konnte). An jedem Etappenende sind Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden.
jakobsweg-weststeiermark.at

 

Die steirischen Themenwege

Wer gehend in Bewegung kommen will, kann in der Steiermark auch mit kurzen Ausflügen beginnen und eine Menge dazulernen: Zahlreiche Themenwege laden dazu ein. Hier unsere kleine Auswahl: Im Nationalpark Gesäuse starten am Erlebniszentrum Weidendom (Krumau bei Admont) drei Wege, die barrierefrei mit vielen Stationen den Horizont erweitern. Das Thema Nachhaltigkeit ist in dieser berauschenden Naturkulisse bestens aufgerollt, und man kann sogar einen ökologischen Fußabdruck „begehen”.
www.nationalpark.co.at

Wir springen sportlich weiter nach Laßnitzhöhe östlich von Graz, wo sich „sebastian RELOADED®” durch Wald und Wiesen schlängelt. Unter dem Namensgeber Sebastian Kneipp stehen Bewegungsabenteuer und die Gesundheit von Alt und Jung im Zentrum. 25 Stationen bringen Kindern und Erwachsenen spielerisch die Säulen eines gesunden Alltags nahe – vom Wettlauf gegen eine rollende Kugel bis hin zum „Letzten Schrei”, der Stress vertreiben soll. Und ja, Wassertreten im Moggaubach ist selbstverständlich auch dabei.
www.sebastianreloaded.at

Auf die berühmten Bretter, die die Welt bedeuten, führt der Theaterweg in St. Josef in der Weststeiermark. In einer Gruppe mit Groß und Klein macht er wahrscheinlich am meisten Spaß, denn an 16 Stationen kann man sich und seine Theatertalente ausprobieren: Schon mal einen Monolog vor Publikum gehalten oder als Marionette von anderen bewegt worden? Den Theaterweg gibt’s als Ein-, Fünf- und Neun-Kilometer-Variante.
www.theaterdorf.at

Der romantische Bründlweg am Pogusch ist ein gemütlicher Rundwanderweg mit liebevoll gestalteten Highlights wie beispielsweise Barfußteich und Stieglitzhütte oder der Himmelreichkapelle. Die zehn Kilometer sind vor allem wegen der insgesamt acht großartig rustikalen Einkehrmöglichkeiten leicht zu bewältigen.
www.bruendlweg.info

Die Spuren-Wanderwege führen durch’s Vulkanland und widmen sich verschiedenen Themen – Herz-, Kopf-, Hand- und Fußspur etwa führen durch die Murauen, vorbei an Burgen und Schlössern, mitten hinein in kulinarische Genüsse und wieder retour.
www.spuren.at

 

Checkliste

O  Der richtige Mensch an der Seite
O  Keine Erwartungen
O  Viel Geduld
O  Bewusst atmen
O  Einen Fuß vor den anderen setzen
O  Die Natur wahrnehmen und genießen

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

Pilgern in der Steiermark | Foto: Erwin Scheriau

Foto: Erwin Scheriau

Herzensthema

LH Hermann Schützenhöfer ist Schirmherr der steirischen Pilgerwege.

Das Thema Pilgern in der Steiermark ist schon seit vielen Jahren ein Herzensthema von Ihnen – wie kam es dazu?
Schon in meiner Zeit als Tourismusreferent ist mir das Pilgern ein besonderes Anliegen gewesen. Gerade auch hier bei uns in der Steiermark hat es eine große Tradition und wird – gepaart mit professionellen touristischen Angeboten – zu einer spirituellen und erlebnisreichen Entdeckungsreise für den Suchenden.

Insgesamt 16 ausgewiesene Pilgerwege laden im grünen Herz Österreichs zum spirituellen und meditativen Wandern ein. Wir sind eine attraktive europäische Pilgerregion, die mehr als 1.000 Kilometer an Pilger- und Wallfahrtsrouten aufweisen kann.

Welche Lebensaspekte der Steirerinnen und Steirer wollen Sie mit Ihrem Engagement fürs Pilgern berühren?
In einer so schnelllebigen Zeit bietet Wallfahren das, was viele heutzutage für teures Geld anderswo buchen müssen. Wir brauchen Zeit, um innezuhalten, um zur Ruhe zu kommen, um nachzudenken und Kraft zu tanken. Beim Wallfahren kann man zur inneren Einkehr und Besinnung abseits der Hektik kommen. Ich finde, das ist etwas besonders Wertvolles für jeden Einzelnen.

Sich auf den Weg machen: Was bedeutet das für Sie ganz persönlich?
Im Leben gibt es Wege, die man gerne geht, und manche, die man eben gehen muss. Wichtig ist, dass man ständig in Bewegung bleibt, denn Stillstand ist schon Rückschritt.

 

Beitragsbild: Steiermark Tourismus/Harry Schiffer