In Poblacht na hÉireann lässt sich’s gut leben. Reisen auch. Céad Míle Fáilte, willkommen im grünen Irland.
Die Grüne Insel ist immer noch lieblich grün, das haben die neuen Zeiten nicht geändert. Grün ist gar kein Ausdruck für die vielen satten Grüns zwischen Donegal und Dublin, die unter den tief fliegenden Wolkenfetzen alle Farbspiele spielen, wenn plötzlich wieder die Sonne durchsticht. Und, nun ja, es stimmt, das mit dem Regen, sonst wäre es gar nicht derart grün. Aber für Sun & Fun begibt sich ohnedies keiner in die Wetterküche am Westende Europas. Und die Sonne kommt bestimmt wieder, vielleicht sogar gleich.
Wer Wasser liebt, ist richtig hier. Es kommt nicht immer von oben, keine Sorge. Es lässt sich aber leicht von oben betrachten: Die Klippenlandschaften der Westküste zählen zu den spektakulärsten Naturphänomenen der hügeligen Insel, deren höchste Gipfel kaum mehr als 1000 Meter erreichen. Die Cliffs of Moher ragen 213 Meter empor und erfreuen nicht nur Dreizehenmöwen und Krähenscharben. Vom O’Briens-Turm, 1835 errichtet und die älteste Aussichtswarte weit und breit, reicht der Blick bisweilen bis zu den blauen Torfmooren von Connemara und den schroffen Aran Islands, wo es so rau zugehen soll, dass auch die Schafe nur mehr struppig sind.
Wer wirklich auf Steilküsten steht, ist am Giant’s Causeway richtig: Der Damm der Riesen besteht aus Zigtausenden sechseckigen, weit ins Meer hinausragenden vulkanischen Basaltsäulen. Finn McCool hieß der irische Riesenkerl, der der Legende zufolge den Damm errichtet hat, um einen schottischen Riesenkerl namens Benandonner zu verprügeln. Hätte er gewartet, könnte er heute die Fähre hinüber nehmen. Das UNESCO-Weltkulturerbe ist 60 Millionen Jahre alt und findet sich in Nordirland, wohin es eigentlich ohne jede Grenzkontrolle geht – was Corona und Brexit daraus machen, bleibt abzuwarten.
Die bombigen Zeiten von Belfast sind Geschichte, die auf eigenen historischen Lehrpfaden durch die nordirische Hauptstadt lebendig wird. Die blutrünstigen Graffiti sind freilich noch nicht allzu blass, denn (das anglikanische) Großbritannien und die (katholische) Republik Irland waren einander politisch nicht immer so grün wie zur Zeit. Zumindest im Sport war das stets anders: Die Rugby-Nationalmannschaft spielt seit ihrer Gründung 1874 für die gesamte Insel.
So ruhig wie heute war es in Irland selten. Die megalithischen Hügelgräber von Brú na Bóinne sollte niemand versäumen, genauso wenig wie einen Besuch der frühchristlichen Klosteranlage Clonmacnoise mit ihren Hochkreuzen, Rundtürmen und grauen Grabplatten. Über 3000 Burgen und Schlösser erinnern an feudale Feste, Oliver Cromwell und druidische Kulte. Viele davon sind verfallen und geben den irischen Nebeln ganz besonderen mythischen Reiz, der schon den Wikingern gefiel. Andere, wie das Rock of Cashel Castle, der Sitz der Könige von Munster mittendrin in der Ebene von Tipperary, gelten als Beginn der christlichen Missionierung einer ziemlich heidnischen Insel.
Recht viele jedoch sind heute Museen, Jugendherbergen oder Luxushotels: Nicht nur Ashford Castle in Connemara, Bunratty Castle bei Shannon oder Blarney Castle bei Cork bieten prallen Landurlaub mit mittelalterlichen Banketten, Galerien und Golf. Wer früher gerne touristische Pflichten erledigte, der legte sich auf den Rücken, verrenkte sich mächtig und küsste den Blarney Stone, um die Gabe der Beredsamkeit zu erlangen – ein schwer verdientes Küsschen, wenn schon kein anderes zu kriegen war. Davor hieß es allerdings lange anstellen. Und derzeit sollte man lieber ohnedies weder Steine noch Wildfremde küssen.
Danach bitte jedenfalls rasch setzen – am besten in kleinen Bars oder Pubs, denn die gibt’s überall. Pub heißt eigentlich Public House und ist für so manchen mehr als das zweite Wohnzimmer: Allein in Dublin finden sich angeblich 775 davon, im restlichen Irland 10.244 – also ein Pub für rund 300 Iren, Wickelkinder und Urgroßmütter abgerechnet. Mit ein bisschen Glück kommen auch wilde Kerle mit wilden Instrumenten, die wilde irische Musik machen. Im
günstigsten Fall mit Fiddle, Tin Whistle (Flöte) und Harfe, richtige Volksmusik eben.
Nicht alle sehen aus wie die legendären Dubliners, deren Folk Music so weltbekannt war, dass sie schon wiederfast vergessen sind. Doch ein Bärtchen kann nicht schaden, und rote Bäckchen haben die meisten, auch wenn sie sich nicht O’Neill nennen wie so viele andere auch. Rauchen ist mittlerweile verboten, Essen und Trinken noch lange nicht. Irish Stew (Eintopf) zum Beispiel, Crubeen (Schweinshaxe) oder Colcannon (Kartoffeln und Kohl). Der Barman heißt nicht immer Patrick, doch das Abendessen immer Tea.
Doch den trinken die wenigsten: There’s only one Guinness, you know. Aber fast einhundert Whiskey-Sorten wie Tullamore Dew, Old Bushmills oder Crested Ten, die Freunde harter Getränke nicht nur in den Schaudestillerien mit der Zunge schnalzen lassen. Finn McCool hätte es hier gleich gefallen, nicht erst nach einer Runde Golf am Firmengreen. Cheers.
GÜNTER SPREITZHOFER
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