Die Beatles waren hier, Donovan auch und Mike Love von den Beach Boys hat nicht nur die Ashrams geliebt: Indiens selbst ernannte Yoga-Welthauptstadt lockt Esoteriker und Trekker gleichermaßen.
Julia ist sehr zufrieden. Gestern noch im Büro in Kapfenberg, heute schon Dreadlocks im Haar und Crocs am Bein. Bloß 20 Euro haben die acht Kilometer vom Busbahnhof bis zur Lakshman Jhula gekostet, mit einer Vikram, einem gecharterten Sammeltaxi in Gestalt einer Riesen-Autorikscha. Und morgen beginnt der einwöchige Astrologie-Grundkurs mit Handlese-Ausbildung, gleich neben der German Bakery, wo die Zimtschnecken so lecker sein sollen. Hat ihre Freundin gesagt.
In Rishikesh leben rund 75.000 Menschen. Nicht alle steuern Vikrams, aber es zahlt sich aus, obwohl Inder nur ein paar Cent für die gleiche Strecke zahlen. Zu Pilgerzeiten sind es beträchtlich mehr. Das Städtchen liegt dort, wo der Ganges die letzten grünen Schluchten am Fuß des Himalaya verlässt und sich seinen Weg durch die nordindischen Tiefebenen zu bahnen beginnt. Der heilige Fluss ist hier noch grün und eisig und fließt so schnell, dass sich mit Rafting reichlich Rupien machen lassen. Floßtouren sind erst seit ein paar Jahren ein Renner, viele Sandbänke stromaufwärts längst mit Fixzelten reserviert. Trekkingtouren gibt es schon länger. Und längst haben auch indische Abenteurer das neue Outdoor-Dorado hinter der Stadt entdeckt, mit White Water Rafting, Cliff Jumping und Kayaking. Auch Bungee, wem nach dem Fried Rice vom Morgen noch danach ist.
Seit Jahrhunderten strömen Pilger genau hier nordwärts, hinauf zu den Quellflüssen des heiligen Flusses, hoch oben im Garhwal. Zigtausende klettern alljährlich zu den Tempelanlagen von Kedarnath, Badrinath, Yamunotri oder Gomukh, wo Gletscher die ersten Wasser des Ganges freigeben. Ein wenig Meditieren davor in Rishikesh soll jedenfalls näher zur Moksha, zur Erlösung, führen. Angeblich.
Der „Happy Rishikesh Song“ und andere Beatles-Hits des „White Album“ lockten in den 1960ern Hippies in Scharen. Die Freaks von eute haben sich ethisch korrekt im „Free Tibet“-Shop eingekleidet und machen nordindische Kochkurse im Ganga Beach Restaurant. Oder sie spielen ein bisschen Sitar auf den Flachdächern des morbiden Bombay Guest House, wo 1968 schon ihre Hippie-Opas gewohnt haben könnten. Bloß gab es damals gerade noch zwei andere Unterkünfte. Heute speist man Holzofenpizza und Crêpes oder wartet im Little Buddha Rooftop Café auf seinen Tattoo-Termin. Das kann dauern.
Spätestens nach dem monatelangen Aufenthalt von John Lennon und Freunden im klostergleichen Ashram von Maharishi Mahesh Yogi ist Rishikesh zum Mekka für europäische Sinnsucher und Spiritualistinnen geworden. Die Anlage ist heute eine überwucherte Ruine am Südende von Swarg Ashram, dem Stadtteil mit den meisten Ashrams drüben am linken Gangesufer. Diese ist über eine Hängebrücke erreichbar, die gerade breit genug ist für ein Fahrrad, eine kleine Kuh und zwei bis drei ihrer Fladen.
Ein paar Kilometer stromaufwärts ist es nicht anders: Die Lakshman-Jhula-Brücke liegt gleich bei den Märchentempeln von Swarg Niwas und Shri Trayanbakshwar, den Wahrzeichen der Stadt, wo sich die Traveller der ersten Stunde ein Stelldichein gaben. An den Flussufern dazwischen haben sich in wackeligen Bretterbuden allerlei Yogameister eingenistet, die nicht wirklich alle Yogameister sind, aber zumindest farbenprächtige Flyer verteilen. Für Lachyoga am Dach, Gong-Meditation am Boden oder Kristallheilung auf der Matte: Entschleunigen und entfetten, innere und äußere Reinigung, gute Kräfte gegen böses Karma. Entschlacken geht nebenbei, denn Alkohol ist zumeist tabu hier, genauso wie Fleisch. Seelische Harmonie ist angesagt, die Balance mit dem eigenen Körper, der am besten mit möglichst vielen bunten Ketten behängt werden sollte, wenn man sich so umsieht.
Ganga aarti muss jedenfalls sein: Das ist die Opferzeremonie, die alltäglich am Triveni Ghat, gleich beim Flusstempel des Parmath Niketan Ashram, stattfindet. Doch außer reichen indischen und allen anderen Touristen lockt der Feuerzauber nur wenige. Die wahren Pilger sind anderswo, an den vielen anderen Ghats von Rishikesh, wo hüllenloses Baden im reißenden Ganges für Yogajünger im Zustand der Halberleuchtung bisweilen auch unerfreulich endet, weil nicht nur das Wasser eine Spur zu cool war.
Spätestens in Haridwar, 20 Kilometer stromabwärts, wo die Kumbh Mela alle zehn Jahre ein paar Tage lang Hunderttausende Pilger anzieht, hat man sie meist gefunden. Rishikesh ist dagegen recht klein und beschaulich geblieben. New Age auf behaglich.
Und zumindest die Zimtschnecken sind ihr Geld wert.
Yoga und Meditation
Rishikesh, das „Tor zum Himalaya” rund 250 km nördlich von Delhi, hat lange Tradition und gilt als Heimstätte des 120 Jahre alten Kailas Ashram Brahmavidyapeetham. Dort hat Swami Sivananda – einer der Pioniere des modernen Yoga – vedische Traditionen studiert und seinem Schüler André van Lysebeth weitergegeben. Die sogenannte Rishikesh-Reihe wurde zur Grundlage für viele Hatha-Yoga-Richtungen, unter anderem auch für die Yoga-Vidya-Grundreihe. Eine Auswahl an Yogaschulen: vinyasa Yoga School: rishikeshvinyasayogaschool.com Avatar Yoga School: avataryogaschool.com Himalayan Yoga Academy: himalayanyoganepal.com Rishikesh Yoga Peeth: rishikeshyogpeeth.com Tattvaa Yoga Shala Rishikesh:tattvaayoga.com
Das International Yoga Festival findet alljährlich in der ersten Märzwoche statt: internationalyogafestival.com
Outdoor-Aktivitäten
White Water rafting am Ganges, Abseiling, Klettern, Kayaking,Trekking theadventurejourney.com Garhwal Himalayan explorations thegarhwalhimalayas.com red Chili adventures redchiliadventure.com, u. a. mehrstündige Tageswanderungen zu den Neer-Ghar-Wasserfällen oder verschiedenen Tempelanlagen (Neerkantha-Tempel) – auch ohne Guide nicht zu verfehlen.
Reisetipps
Beste Reisezeit: April bis Mitte Juni, Oktober bis November: Haupttrekkingsaison; in den Sommermonaten kann Monsunregen die Zufahrt massiv erschweren, in den Wintermonaten wird es kühl und feucht – die meisten Hotels haben keine Heizmöglichkeiten.
Visum: für österreichische Staatsbürger erforderlich vor Reiseantritt. Indisches Fremdenverkehrsamt: india-tourism.de
Anreise: Linienflüge nach Delhi saisonabhängig
Diverse Regionalfluglinien, tgl. mindestens ein Flug von Delhi nach Dehradun (1 Stunde, oft in kleinen Propellerflugzeugen), von dort per Bus oder Taxi ca. 1–2 Stunden bis Rishikesh. Private Luxusbusverbindungen nach Delhi (7 Stunden) oder Manali (14 Stunden). Linienbusverbindungen sind langsamer.
Schlafen und Essen: Zahlreiche Gästehäuser aller Preisklassen, v. a. in den Stadtteilen Lakshman Jhula und Swarg Ashram (ab 2 €/Nacht). Bestes Haus am Fluss: Vasundhara Palace, vasundharapalace.com (DZ ab 150 Euro/Tag) Bestes Haus der Region: 18 km nördlich in den Himalaya-Hügeln, Ananda Spa, Wellness-Oase im ehemaligen Palast des Maharadscha von Tehri-Garhwal mit Dachterrasse, Golfklub, Poolanlagen, anandaspa.com (DZ ab 440 €/Tag)
Leben im Ashram: Ashrams sind klosterähnliche Meditationszentren (Nächtigung, Verpflegung, Meditation/Yoga, Massagen sind meist inklusive, ab 25 €/Person/Tag). Shivananda Ashram: sivanandaonline.org Parmath Niketan Ashram: parmath.com Phool Chatti Ashram: phoolchattiyoga.com u. a. Zahlreiche Restaurants aller Preisklassen (tibetische, chinesische, nordindische, internat. Küche). Europäisch: Devraj Coffee Corner, mit Blick auf die Lakshman Jhula Brücke; Maa Cozy.
GÜNTER SPREITZHOFER
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