Ein fragiler Tanz auf dünnem Eis mit Klaus Wanker

Klaus Wanker
Mit der Wucht einschmeichelnder Farben und zarter Formen führt der Künstler Klaus Wanker sein Publikum aufs Glatteis. Denn hinter der scheinbar naturverbundenen Ästhetik verbirgt sich viel mehr … Bitte näherkommen.

Trockene Gräser aus dem eigenen Garten in Kumberg, drei Zentimeter kurz geschnitten, ragen aus der bemalten Leinwand. In zum Teil geometrischen Mustern  angeordnet, scheinen diese geradezu weich auf erdig-braunen Grund gebettet. Während der Künstler Klaus Wanker in seinem Studio mit der Hand leicht über die stoppelige Fläche streicht und damit zeigt, wie flexibel, aber keineswegs unzerstörbar sich die Gräserschicht unter dem Druck verneigt, schlittert man bereits unbemerkt auf dem Glatteis dahin … Denn der Frühling strahlt auch noch als unwiderstehliche Kulisse dieses Augenblicks durch die riesige Fensterfront und präsentiert den nahen Hausberg Schöckl buchstäblich wie aus dem Bilderbuch – weshalb sich auf der Stelle ein Satz aufdrängt: Alles ist gut.

Ohne Abstand, bitte

Kunst von Klaus Wanker

Klaus Wankers Beitrag zu Klanglicht 2018 in Graz: Im Schwarzlicht leuchtende Muscheln „pflasterten” geometrisch angeordnet den Boden. | Foto: Klaus Wanker

Die Augen offen zu halten für die Schönheit eines Moments, eines Kunstwerks und für die wertvolle Natur ist notwendig – gerade in einer Zeit, die uns vieles  abverlangt. Doch darüber hinaus dürfen wir nicht länger verdrängen, dass wir von dieser gefährdeten Natur, von „unserer“ Erde als ein Teil davon selbstverständlich abhängig sind. Und dass deshalb eben nicht „alles gut“ sein kann.

Seit zwölf Jahren lebt Klaus Wanker in dieser idyllischen Gegend. Der gebürtige Grazer begann erst nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur mit der  künstlerischen Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dort studierte und lebte er, unterbrochen durch ein Auslandssemester in Düsseldorf. In der steirischen Heimat, aber auch inspiriert durch Reiseerlebnisse drängt sich dieses Thema in seine Malerei: „Die Natur fasziniert mich und ich finde es traurig, wie der Mensch damit umgeht.“ Brennende Felder in Süditalien und ein Hurrikan in Manila, der den zuvor vom Menschen ins Meer beförderten Müll wieder wuchtig zurück aufs Land spuckte – das sind nur zwei der eindrucksvollen Szenen, die sich auf seiner künstlerischen Festplatte und Palette gleichermaßen verewigten. Es lohnt sich, näherzutreten und sich mit Wankers Kunst auseinanderzusetzen.

Lunte gerochen

Der kritische Blick auf die Welt zieht sich, manchmal etwas versteckt, durch das Gesamtwerk des steirischen Künstlers. Von seiner Beschäftigung mit der Jugendkultur in den Neunzigerjahren – oberflächlich betrachtet kraftvolle und gefällige Porträts mit kritischen Textpassagen – über Brandrodung auf aluschillerndem Malgrund bis hin zur „Verdichtung“, der aktuellen Serie, vor der wir heute im Studio stehen: Diese Werke sind in ihrer Ästhetik allesamt überaus anziehend. Und während man sich fasziniert nähert, riecht man doch schon die Lunte und hört die Funken leise knistern.

Fragiles System Natur

Bitumenklumpen Klaus Wanker

„Insel der Seligen” (2019). Die schwebende Installation verbindet die zarte Natur mit ihrer Zerstörung – Trockengräser auf Bitumenklumpen: ästhetisch, verstörend und ontrovers | Foto: Galerie Zimmermann Kratochwill

Denn Klaus Wankers Kunst geht immer über die Ästhetik hinaus – der Künstler lässt dafür gerne seine Materialien sprechen. Mit Alkydharz (Kunstharzfarben) vermischt er Ölfarben, mit Bitumen zeichnet und malt er nicht nur auf der Leinwand, er erzeugt damit „eine künstliche Welt“, er klebt Gräser auf Bitumenklumpen.

Bei den jüngsten Werken befestigt er akkurat zugeschnittene Grashalme mit Wachs auf einer Grundierung aus verdünntem Bitumen. Die erdigwarmen Farbtöne täuschen Natürlichkeit vor, wo keine ist, sie zeugen vielmehr, so Wanker, „von einer vergifteten Welt“. Die mit Wachs aufgeklebten Halme versinnbildlichen das „fragile System Natur“ (Wanker). Die künstliche Welt, die er erschafft, schmeichelt sich ein und ist doch eine Ohrfeige, die uns wachrütteln soll. Wanker will „die Naturzerstörung sichtbar machen“.

In seinen großformatigen Gemälden aus dem Jahr 2019 (z. B. „New Order“) verarbeitete er beispielsweise nicht nur Bitumen und Altöl, sondern auch  Seegraskugeln – Fundstücke von den Stränden Sardiniens. Der spannende Hintergrund: In den Seegraswiesen des Meeres sammeln sich Plastikteilchen, also unser Müll. Die Seegrasreste formen sich zu Kugeln, die das Plastik einschließen – auf diese Art säubern sie das Meerwasser. Die hübschen „Neptunkugeln“ mit dem wertvollen und genialen Filtersystem werden an den Strand gespült, wo sie vertrocknen. Falls also der Mensch nicht imstande sein sollte, schafft es vielleicht die Natur selbst, sich zu retten.

Klaus Wanker

Klaus Wanker bei der Arbeit

Klaus Wanker arbeitet mit Fundstücken aus der Natur und verfremdet diese für seine Aussage. | Foto: Klaus Wanker

Der gebürtige Grazer studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien (Sue Williams, Adi Rosenblum und Markus Muntean) sowie an der Kunstakademie in Düsseldorf (Siegfried Anzinger).
Personalen: Wien, Graz, Frankfurt, London, Santa Monica/USA, Manila
Gruppenausstellungen: Wien, Graz, Innsbruck, Berlin, Frankfurt, London, Santa Monica, Manila, Budapest, Bukarest, Wolfsburg u. a.
Ausstellung und Katalog: Herbst 2021 in der Galerie Zimmermann Kratochwill, Graz, Opernring 7
zimmermann-kratochwill.com | klauswanker.com

CLAUDIA TAUCHER