Altweinverkostung in Gamlitz vor Schloss und Riegel

Gamlitz | Foto: Oliver Wolf
„The moment of truth“ Winzer Arnold Melcher köpft auf Schloss Gamlitz Altweine, zurück bis in die 70er. Prädikat: selten. Fazit: unvergesslich.

 

Gamlitz | Foto: Oliver Wolf

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Unumstößlich, dass ein Schloss besondere Geschichten beherbergt. Jene der Trauerweide im Schlossgarten zum Beispiel, die vor nunmehr 76 Jahren, mitten im Krieg, gepflanzt wurde und damals aus gutem Grund einer deutschen Eiche vorgezogen wurde. Oder jene Geschichte von Schlosshund Alf, dessen Vorfahren seit 1966 Alf hießen und als Jagdhunde außerirdisch gute Dienste geleistet haben. Außerdem schrieb das Schloss Gamlitz in der Geschichte des VIA-Herausgebers ein wesentliches, gar sehr privates Kapitel, verbrachte man hier doch vor mehr als einem Jahrzehnt die eigene Hochzeitsnacht.

Tja, und dann war da noch diese eine Geschichte. Nämlich jene vom Wein, der hier, mitten in der Südsteieiermark, DNA ist. „Es ist durchaus vernünftig, dass ihr hier seid“, grinst Schlossherr Arnold Melcher in die Gästerunde und erntet von seinen geladenen Kollegen und Freunden Hannes Harkamp, Fritz Tinnacher, Walter Polz, Georg Regele, Franz Tinnauer, Josef Ertl und Helmut Hirzer erwartungsvolle Blicke.

Oldies but Goldies

An diesem gemeinsamen Abend im Schlossgarten gewittert es heftig. Erst am Himmel, dann im Glas. Denn das vinophile Konvent steht im Zeichen von Altweinen, die bis dato im Keller des Weinguts Melcher schlummerten und nur selten bis noch gar nicht verkostet wurden. Den erlesenen Anfang macht ein Sauvignon blanc 1993, der damals noch unter dem Prädikat Spätlese lief.

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Raritäten in Flaschen. Seltene Schätze aus dem Altwein-Keller des Schlosses Gamlitz. Foto: Oliver Wolf

„1993 war das Jahr mit den allerschönsten Trauben überhaupt“, erinnert sich Siegfried Melcher, seines Zeichens Senior-Schlossherr und dafür verantwortlich, dass Sohnemann Arnold nicht nur die Liebe zum Wein, sondern auch die zur Jagd in den Genen hat. „Natur und Tiere – beides liebe ich. Meine Geschwister Martina, Josef und ich sind dazu erzogen worden.“ Keines der Kinder musste um Aufmerksamkeit ringen, „der Papa nahm uns immer alle am Wochenende zum Fliegenfischen und Jagern mit.“

Die kindlichen Vorlieben haben bis heute Bestand und sich zu unabdinglichen Leidenschaften manifestiert, an denen genussvolle Erinnerungen haften. Apropos Erinnerungen. Jahrgang 92 ist an der Reihe – er hat allerdings bereits nach zehn Jahren aufgrund der damaligen verschobenen Hungerphase der Trauben seine Langzeitlagerung eingebüßt. „Aber der 93er, der kann’s“, euphorisiert der Hausherr und vervollständigt den ersten Flight mit Sauvignon blanc Alte Rebe 2012 bzw. 2015.

Natur und Tiere – beides liebe ich. 1993 war das Jahr mit den allerschönsten Trauben überhaupt und mein erster selbstständiger Jahrgang.“ – Siegfried Melcher

Nach einer weiteren Aufwärmphase mit SB Alte Rebe Barrique 2008, 2003 und 2001 folgt die erste Granate. Zumindest, wenn es nach Winzer Hannes Harkamp geht. „Ein Jahrhundertjahrgang, der so richtig Spaß macht“, schwärmt der Weinbauer, der in seinem eigenen Betrieb im Sausal das Credo vibrierender Weine akribisch verfolgt. Auch Branchenkollege Georg Regele singt dem Jahrgang ein Loblied: „Betörend in der Nase, ist dieser Wein sozusagen nun volljährig und erinnert mich in erster Linie an feine Trüffel.“

Nasen voller Minze und Melisse

Gamlitz | Foto: Oliver Wolf

„Bei Altweinen ist Wissen Trumpf”, unterstreicht Siegfried Melcher. Foto: Oliver Wolf

„Senior Melcher war schon immer dafür bekannt, dass er keine jungen Weine hervorbringt“, wirft Weinbauer Fritz Tinnacher ein. Seine Familie macht seit fast einem Vierteljahrtausend Wein und ist freundschaftlich eng mit den Melchers verbunden. Tinnacher spekuliert an diesem Abend mit Melchers Gelbem Muskateller 1976, „weil der mit grünen Reflexen, tollem reifen Bouquet und einer vitalen Minze-Aromatik so unglaublich jung daherkommt“.

Seine Begeisterung wird später den Geschmacksvergleich mit einem Welschriesling 1976 antreten. Arnold, der in den 90er-Jahren im Urbanikeller als einer der jüngsten Gastronomen in Graz seine Reifezeit absolvierte, kredenzt die nächste Verkostungsrunde: Sonneck Gelber Muskateller Maestro Grande 97 und Herrenberg Riesling 97 bzw. 95. Kurzer, prüfender Blick in die Runde. Edelbrand-Profi Franz Tinnauer schüttelt vehement den Kopf. „Der Riesling hat mich voll überzeugt. Füllig, trotzdem knackig und als Exot in den südsteirischen Gefilden ohnehin viel zu stiefmütterlich behandelt.“

Gamlitz | Fotos: Oliver Wolf

Fotos: Oliver Wolf

Vintage de luxe

Das heftige Sommergewitter hält uns in Atem. Der Schlossgarten, der wie das gesamte Anwesen als opulente, gemütliche Hochzeits- und Eventlocation buchbar ist, wird ob der Nässe irgendwann zu ungemütlich und so zieht die Truppe einen Stock höher in Melchers Privaträumlichkeiten. Am Stiegenaufgang entlang hängen vier Generationen jagdlicher Familiengeschichte. „Leider ist der Großteil der Menschen über die Sinnhaftigkeit der Jagd viel zu unaufgeklärt. Ich würde mir wünschen, dass man Dinge wie Abschussplan und Artenschutz beim Namen nennt“, erklärt Melcher, der eine Farm in Namibia besitzt, ganz beiläufig.

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„Unsere glücklichen Weine bedingen glückliche Verkoster”, ist Arnold Melcher überzeugt.Foto: Oliver Wolf

Im nächsten Rebentrio sticht neben 1986 Rheinriesling und 1983 Sauvignon blanc vor allem der 1986 Muskateller hervor. Die Nase ist gleich von Minze und Melisse verzückt. Ein Kräuterbeet, das noch lange in Erinnerung bleibt. Kaum dem betörenden Abgang nachgesonnen, werden SB 82, Welschriesling 82 und Riesling 83 geschwenkt. Dazu werden von Winzer Walter Polz und Silberberg-Laborleiter Helmut Hirzer tiefsinnige Wortspenden gereicht, die sich entweder um das Wetter (das Winzerthema Nummer eins) drehen oder darum, wie wichtig es ist, den Momentzustand zu genießen.

Beides ist mit der Rebenkunst eng verknüpft. Langsam nähern wir uns dem Finale. „Delikate Dekadenz“, kündigt Arnold Melcher großspurig an. Er hält sein Versprechen mit Muskateller bis 1976, Sauvignon blanc 1972 und einem Finale Grande mit Welschriesling 76, 77, 78, 79, 81, allesamt in einer Reihe verkosteten.

Schon beim Anblick der raren Vintage-Etiketten flackern Augen und Gourmetherz. „Schneller Profit schließt eine Verkostung wie diese aus“, so der Gamlitzer, der seine Reben ab und an recht inbrünstig mit Liedern düngt. Es ist nicht überliefert, wer es an diesem besonderen Abend nur mehr in eines der herrschaftlichen Gästezimmer ums Eck geschafft hat. Geschlafen haben wohl alle wie steirische Royals.

TINA VEIT-FUCHS

Mehr Informationen

Schloss Gamlitz
Weingut Melcher
Das Event-Schloss in der Südsteiermark
Eckberger Weinstraße 32
8462 Gamlitz
Tel. +43 3453/2363
info@melcher.at
www.melcher.at

 

Beitragsbild: Oliver Wolf