Wer in die Stadt am River Liffey reist, der wird mitgerissen.
Von jugendlicher Energie, uralten Traditionen und mystischen Orten an der Küste des Atlantiks.
Denkt man an Dublin, fällt einem zuerst einmal Whiskey ein, oder Guinness, oder beides. Erst im zweiten Schritt denkt man daran, dass auch eine Menge globale Unternehmen, darunter Facebook, LinkedIn und Google ihren europäischen Hauptsitz in Dublin haben.
Beweggrund dafür sind die Steuerbegünstigungen für die Internetriesen. Effekt daraus aber ist eine ganz eigene Dynamik in und um die Hauptstadt Irlands. Eine, die eine Reise wert ist und erlebt werden will.
Statistisches Indiz dafür ist das Durchschnittsalter in der Stadt. Denn das liegt gerade einmal bei 33 Jahren. In Österreich ist man zum Vergleich durchschnittlich 43 Jahre alt. Ergo: In Dublin leben viele junge Menschen.
Angezogen von multinationalen Unternehmen wie Facebook und Co., um die (Internet-)Welt mit neuen, frischen Ideen zu beglücken. Wer von so einer Firma an Bord geholt wird, hat Energie und Ideen. „Work hard, play hard“, also „Arbeite hart und spiele hart“ lautet das Motto auf der Insel, das im gelebten Alltag nach vielen Stunden Arbeit in ein wuseliges Nachtleben mündet.
Denn diese Leute werden schwer müde, und so wollen die Feste auch gefeiert werden, wie sie fallen. So wie beispielsweise der Zahltag am letzten Freitag im Monat, an dem das Gehalt am Konto landet. Das ist so Tradition in Dublin. Und weil es eben dann auch Orte braucht, an denen es zum Afterwork partytechnisch zur Sache geht, zählt man in Dublin mit 550.000 Einwohnern ganze 755 Pubs.
Eine Bar als Wahrzeichen
Das berühmteste unter ihnen ist die Temple Bar. Benannt nach Sir William Temple, der sich in dem damaligen schmucken Vorort rund um 1600 einen Garten anlegte.
Wenn er nicht gerade für den Earl of Essex als Sekretär tätig war. Seine noch bedeutendere Tätigkeit startete Temple aber erst im Ruhestand.
Dann nämlich übernahm er die Rolle des Schulleiters für das Trinity College. Eine der berühmtesten Hochschulen Europas. Diese Funktion hatte er inne bis zu seinem Tod 1627. Sein Sohn John sollte schließlich berühmter Autor werden und dessen Sohn William wiederum verdiente sich als berühmter englischer Staatsmann. Grund genug also, um eine in typischer roter Puboptik gehaltene Bar nach dieser Familie zu benennen. Beziehungsweise das gesamte Viertel, in dem sich Pub an Pub reiht und die Schönheit des Lebens und des Zahltags gefeiert wird.
Am authentischten stößt es sich dabei mit dunklem Guinness-Bier oder dem berühmten Irish Whiskey an. (Kleines, aber wichtiges Detail am Rande: In Schottland schreibt man Whisky ohne e. In Irland hat originaler Whiskey immer ein e mit dabei.)
Wobei tatsächlich im Stadtgebiet von Dublin nur noch die Teeling Distillery Whiskey brennt. Alle anderen berühmten Destillerien wie beispielsweise Jameson haben sich ein Fleckchen außerhalb gesucht, um Malz in flüssiges Gold beziehungsweise trinkbaren Sonnenschein zu verwandeln, wie der Dichter George Bernard Shaw das Getränk zu betiteln pflegte.
Raus aufs Land
Ob man nun die Stadt für ein Weilchen hinter sich lässt, weil man eine Destillerie von innen betrachtet oder einfach um seine Füße ein wenig an der Küste zu vertreten: Zu empfehlen ist es auf jeden Fall.
Denn schon 30 Minuten Fahrzeit außerhalb von Dublin tut sich ein regelrechtes Naturwunder auf. So schön, dass selbst Rosamunde Pilcher dabei sprachlos werden würde.
Denn zu beobachten, wie die raue See in dem ebenso rauen Klima (im Winter wird es zwar nicht kalt, aber im Sommer auch nicht unbedingt warm) auf die schroffen Felsen drischt, immer und immer wieder mit voller Wucht, ist atemberaubend. Flößt Respekt ein und bezaubert zugleich. Daneben zarte Blüten, die den Bereich oberhalb der Felsen mit Abertausenden gelben Blütenpunkten bedecken und der obligatorische Leuchtturm, auf den man auch beim „Cliff Walk“ nahe dem malerischen Örtchen Howth nicht verzichten muss.
Die verdiente Stärkung nach dem Marsch nimmt man am besten in einem der charmanten Fischlokale zu sich, die den Hafen sowie den Markt säumen.
Einpacken und mitnehmen kann man den frischen Fisch ja eher selten. Und tatsächlich schmeckt er doch auch am besten, wenn er direkt vor Ort genossen wird. Mit Blick auf die Boote, die wenige Stunden zuvor noch durch die Gischt unterhalb des Howther Leuchtturms geprescht sind.
Über die Harfe ins Stadtzentrum
Der Weg zurück in die Dubliner Altstadt führt schließlich über die wohl größte Harfe der Welt. In Brückenform. Oder besser gesagt, die Brücke ist in Harfenform gebaut. Eines der wichtigsten Wahrzeichen Irlands.
Schließlich wollen wir es nicht verabsäumen, dem renommierten Trinity College einen Besuch abzustatten. Insbesondere der Bibliothek. Hier geht der Traum eines jeden Bücherwurms in Erfüllung. Bücher, so weit das Auge reicht. Zusammengesammelt in jahrhundertelanger Bibliothekarsarbeit. Ein Schmuckstück des Wissens, das auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Ebenso wie das berühmte „Book of Kells“, mitunter das wichtigste Buch der angelsächsischen Kultur überhaupt. Wer lange genug bleibt, der könnte es theoretisch sogar durchlesen. Denn jeden Tag wird eine Seite weitergeblättert.
Uralte Kultur, junges Publikum
Ebenso unbedingt einen Besuch wert sind die romannische Christ Church Cathedral sowie die St. Patrick‘s Cathedral, aus dem Jahr 1191. Das ist Irland: uralte Kultur schnuppern und in der Zeit zurückreisen, auf einer Insel der tapferen Ritter und Internetpioniere.
Bis es wieder Zeit wird, der After-Work-Happy-Hour zu frönen. In einem der 755 Pubs. Oder in einem der Clubs, die nicht nur wochenends, sondern auch unter der Woche gut besucht sind. Das beweisen die Metallgitter vor den Clubtüren, damit sich auch alle brav in einer Reihe anstellen. Nachmittags hat man sich noch gewundert über diese wunderlichen Wegweiser, die die Straßen zieren. Abends ist dann vollkommen klar, warum das alles.
Die potenten Mittzwanziger von Facebook, LinkedIn und Co. sind los und wollen jetzt hart spielen, nachdem sie untertags hart gearbeitet haben. Das aber immer auf freundliche und ausgelassene Art und Weise.
Denn auch wenn man den Fassaden der Häuser das raue Klima ansieht, so ist die Stimmung in der Stadt umso freundlicher und internationaler. In dem Fall ist es nämlich kein Beginn eines Witzes, sondern Realität und daher umso schöner und lustiger: Stehen ein Italiener, ein Spanier und ein Deutscher mit dem Guinness in der Hand an der Bar … Pointe kommt hier keine, dafür Multikulti-Party und entspannte Atmosphäre in Reinform.
Harald Kopeter
Beitragsbild: shutterstock/rainprel