Die Traditionsrebsorte Grauburgunder ist in der Weinwelt nicht mehr alltäglich. Das Steirische Vulkanland und seine Topografie räumen der mitunter zickigen Edelrebe allerdings einen besonderen Platz ein. Ein Date mit der Primadonna.
Zu Gast in der Südoststeiermark mit ihren erloschenen Vulkanen und kargen Böden aus Tuff, Basalt, Sand, Lehm und verwitterten Schiefern und Gneisen. Das trockenere und wärmere Klima des Landstrichs schafft den Grundstein für Burgundersorten, deren größte Ausbauflächen sich in der Steiermark rund um Klöch, St. Anna am Aigen und Straden befinden.
„Der Grauburgunder zählt zu den mühsamen Rebsorten. Er ist dichtbeerig und wenn kurz vor der Lese zu viel Regen auf die dünnschaligen Trauben prasselt, platzen sie gerne auf“, stellt Christoph Neumeister fest. Mitunter einer der Gründe, warum die Anbaufläche in Österreich seit 1999 kontinuierlich abgenommen hat. Neumeister ist diesmal der Gastgeber der VIA-Weinkost in Straden, zu der sich auch die Winzerkollegen Manuel Ploder vom Bio-Weingut Ploder-Rosenberg, Stefan Krispel vom Genussgut Krispel und Walter Frauwallner vom Weingut Frauwallner nicht lang bitten ließen.
Wetterextreme jeder Art bescheren Weinbauern in der Regel Kopfzerbrechen. 2020 hofft man, dass der vermehrte Niederschlag mit September wieder abnimmt. Die kargen Böden aus Vulkangestein, Schotter und Kalk helfen zwar, wenn der Regen überhand nimmt, aber die Dolden des Grauburgunders hängen länger als a ndere Rebsorten – auch dann noch, wenn der erste Nebel die Weingärten in den Herbstmodus tunkt. Man hofiert ihn, den Grauburgunder. Er ist als weiße Diva bekannt. „Bei der Lese des Grauburgunders braucht es viel Kompetenz“, streicht Frauwallner hervor. Stefan Krispel nickt zustimmend.
Typische „Kupferbackerl“
In seinem Genussgut Krispel in Straden hat er die vinophilen Fäden in der Hand und managt den Laden gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Schwestern und seiner Frau. „Mit 18 Jahren hatte ich daheim die erste Ernte zu verantworten. Daraus entwickelte sich eine leidenschaftliche Motivation, mein Bestes zu geben. Jetzt trägt meine konsequente Haltung Früchte und ich bin meinem Ziel, den perfekten Wein zu machen, schon sehr nahe“, konstatiert Krispel junior.
Mit seinem Grauburgunder Vulkanland Steiermark DAC stimmen wir uns ein. 92 Punkte vom Falstaff-Weinguide legen die Latte nicht zu tief. Ein fülliger Gebietswein mit typischen „Kupferbackerln“ im Glas, der kaum Fruchtiges übrig lässt. Ein Puzzleteil zum kräftigen Neusetzer-Speck vom Wollschwein, der monatelang im Basaltstein reifen darf und der ganze Stolz der Familie Krispel ist. Neumeister: „Grauburgunder ist in der Nase allgemein etwas zurückhaltender und ruhiger. Dennoch ist er dicht und am Gaumen spürt man seine volle Länge und seinen Schmelz. Das macht die Rebsorte auch so lagerfähig.“ Manuel Ploder will im ersten Schluck Veilchen und einen Hauch Hefecharme erkennen – „mit etwas Luft gesellen sich dann ein wenig Karamell und dunklere Früchte hinzu“. Wir switchen zum Ortswein-Flight, Jahrgang 2019. Ein wenig spitz, aber wohltuend, etwas später warm und mit einer feinen Weißbrotnote präsentiert sich der Wein von Walter Frauwallner.
Vor ein paar Jahren hat er am Rosenberg bei Straden zusätzliche Grauburgunder-Rebstöcke gepflanzt. Man räumt der Sorte wieder mehr Platz ein. Gut so. Krispels GB 2019 Riede Ziegel ist ein kraftvoller, breiter Südoststeirer und ergänzt gedanklich geröstete Eierschwammerl mit fein gehacktem Luschkraut. Neumeisters GB-Jüngling ist vergleichsweise zurückhaltend-elegant und lebendig zugleich. „Unser Großvater hat schon gewusst, dass diese kapriziöse Sorte in Straden besonders gut gedeiht. Reich an Aromen und Tiefgang, dabei aber immer leichtfüßig und erstaunlich fest wirkend“, protokolliert Christoph Neumeister, Erfolgswinzer in dritter Generation.
Die Aufmerksamkeit richtet sich aber nun auf den Flight des Weinguts Ploder-Rosenberg. Pinot Gris 2015 Linea stand drei Tage auf der Maische und kommt breitschultrig daher. Jahrgang 2007 erinnert an eine gemähte, trockene Sommerwiese. Charakterstark und zu frittiertem Estragon sicherlich ein Gedicht. Der Redaktionsfavorit ist der 2008er – rund, mit ein wenig mehr Druck am Gaumen. Wer diesem Wein mehr Luft gewährt, wird merken, wie er Stück für Stück, Minute um Minute erschlankt. Seit 15 Jahren arbeitet das Weingut Ploder-Rosenberg auf elf Hektar biodynamisch. Kenner schmecken das ohnehin.
Nichts mehr überpowern
Weiter geht’s mit dem 2018er (elf Monate im kleinen Holzfass, sechs Monate im neutralen Fass gereift) und 2017er von Stefan Krispel. Letzterer ist Zeitzeuge eines warmen, reifen Jahrgangs und sehr trinkig. „Beide Weine sind sehr gut, aber ultrajung“, wirft Neumeister ein. Das Lagerpotenzial des Grauburgunders hatten wir bereits besprochen. „Die unbeständige Witterung ist wie gesagt ein großes Thema für uns Winzer. Ich denke, in zehn Jahren werden wir uns alle an das Bild von zugenetzten Weingärten gewöhnt haben“, eröffnet Krispel. Kollege Frauwallners Jahrgang 2018 ist etwas flüchtig, im 2017er lassen die schönen Schlieren im Glas bereits mehr erahnen. Und ja: eine schöne Spannung und Kernigkeit, die in den nächsten vier bis fünf Jahren in der Flasche weiter gewinnen kann. Mit einem Dekaden-Flight von Christoph Neumeister lassen wir den Nachmittag im Verkostungsraum, umringt von 8.000 Dekorflaschen, ausklingen. Der Grauburgunder Ried Saziani 2017 hat nette Spitzen und schürt sensorisch die Vorfreude auf Topfenknödel mit Zwetschkenröster. Der Grauburgunder Saziani Große STK-Lage 2007 steht da wie eine Eins. Ein muskulöser, weitmaschiger Wein. Der Epilog: eine Flasche Grauburgunder Ried Saziani 1997 – ein Zeitzeuge voll Trockenfruchtaroma mit einem Hauch von schwarzer Nuss. Ploder: „Spannend, spannend, spannend.“
TINA VEIT-FUCHS
Adressen
Weingut Neumeister
Straden 42
8345 Straden
neumeister.cc
Weingut Krispel
Neusetz 29
8345 Hof bei Straden
krispel.at
Weingut Ploder-Rosenberg
Unterrosenberg 86
8093 St. Peter amOttersbach
ploder-rosenberg.at
Weingut Frauwallner
Karbach 7
8345 Straden
frauwallner.com