Violette Reflexe, schillernder Glanz und längst keine Rabiatperle mehr: Der steirische Schilcher stößt weder sauer auf noch andere vom süßen Thron. Er ist und bleibt er selbst.
„Schilcher ist für mich einer der besten Roséweine der Welt. Die Gegebenheiten der wirtschaftlichen Grundlagen für diese Rebsorte in unserer Region geben mir dahin gehend recht“, eröffnet Christian Friedrich die frühlingshafte VIA-Verkostung im Herzen der Weststeiermark. Am Anfang sei er für diese Haltung noch ausgelacht worden. Lange hätten sich Schilcherproduzenten vom Roséwein distanziert – Schilcher war Schilcher bzw. Rosé war Rosé. Heute wird die einst saure „Rabiatperle“ unter Kennern offenkundig als Roséwein aus der Blauen Wildbachertraube gehandelt. Rote Schale, weißes Fruchtfleisch – seit 1976 ein für diese Region typischer, geschützter Fruchtstand am Weinstock. Man sagt, der Name Schilcher leitet sich von den Worten „schillern“ bzw. „schielen“ oder „schilchen“ ab. So wurde nämlich die oft eigentümliche Farbkomposition des Weines – kräftige Töne, violette Reflexe – beschrieben. „Böse Zungen behaupten, dass mit schielen oder schilchen die Auswirkungen von übermäßigem Weinkonsum beschrieben werden“, wirft Friedrichs Tochter Sophie ein. Vergangenheit, Mythos? Ja, über den Schilcher gibt es viele Geschichten. Wertmindernde wie wertsteigernde. Diese ist eine davon.
In Sachen Wertbarkeit steht jedenfalls fest: Der Schilcher ist in Hinblick auf den Klimawandel ein großer Gewinner. „Er gewinnt an reifem Aromaspiel und wird lagerfähiger“, ist sich die Verkosterrunde rund um Hausherr Christian Friedrich und seine Winzerkollegen Wolfgang Klug, Fabian Bayer und Stephan Hiden einig. Aber wie schmecken denn jetzt kräftige Farben und violette Reflexe? Wir steigen mit Hidens „Pink Spark“ 2021 ein – ein Frizzante mit acht Volumsprozent, hohem Restzuckergehalt, frischem Rhabarber in der Nase, ordentlich Erdbeere am Gaumen. „Damit wollen wir speziell junge Genießer ansprechen. Das ist quasi unser Brunchwein“, lächelt der junge Winzer, der bereits auf Weingütern in Neuseeland und Südafrika gearbeitet hat und seit 2017 den Betrieb zu Hause übernommen hat. Quirlig ist auch sein Schilcher Klassik 2022 – viel Holunder und für sein Alter schon recht geschmeidig in der Säure.
„Schilcher ist in Hinblick auf den Klimawandel ein großer Gewinner.“ Christian Friedrich, Winzer
Hiden setzt auf elf Hektar Eigenfläche 45 Prozent Schilcher an. Sein Schilcher Ried Hochberg 2021 ist in der Nase schon wesentlich fülliger, am Gaumen zugänglicher. Die gesetzliche DAC-Verordnung ist in trockenen Tüchern, das pusht auch Rieden-Schilcher. Friedrich: „Unsere Lagen in Langegg, Kirchberg und Pirkhofberg sind geprägt von kalkfreien Urgesteinsböden. Auf der Suche nach Nährstoffen dringen die Wurzeln der Rebstöcke tief in den Boden ein und werden von den jahrtausendealten Gesteinsschichten und einem etwas kühleren Klima in einer Seehöhe von 570 Metern stark beeinflusst. Das Resultat findet man in unseren Weinen.“ Weiter geht es mit Fabian Bayer vom Weingut Trapl. Nach mindestens zwölf Monaten auf der Feinhefe und nach der traditionellen Flaschenvergärung produziert, spürt man in seinem Schilchersekt eine extreme Feinperligkeit und intensive Beerenaromatik. Bayer hat als gebürtiger Oberösterreicher das Weingut von seinem weststeirischen Onkel übernommen, vor drei Jahren hat er die einstige Buschenschank am Hof ebenfalls wiederbelebt.
Mit drei Tankproben 2022 entführt Bayer in weitere Schilchergefilde. Grasig-grüne Klassik, eine hochreife Ried Stainzer Schlossweingarten und eine dichte Ried Lestein, Bayers Hausweingarten. „Es gibt nach wie vor die Kundenschicht, die den bissigen Schilcher von früher sucht. Papst Pius VI. hatte die Rebsorte 1782 ja als rosaroten Essig bezeichnet“, meint Friedrich. Auch der Schilcherspritzer erzeuge bei manchen noch immer Pathos und ja, auch Schilchersturm bringe nach wie vor gutes, schnelles Geld. Vor uns findet sich mittlerweile der Flight von Wolfgang Klug ein. Sein Familienweingut wurde 1792 das erste Mal urkundlich erwähnt. Direkt an der wohl bekanntesten Riede der Weststeiermark, Ried Hochgrail, liegt der Betrieb der Klugs, die sich schon seit Generationen dem Schilcher verschrieben haben. Die Vehemenz der Johannisbeere im Frizzante überrascht uns positiv. Seine frisch filtrierte Tankprobe 2022 Ried Hochgrail präsentiert sich würziger und schön duftend. Auf 680 Höhenmetern in St. Stefan ob Stainz gewachsen sieht Klug viel Potenzial für die Zukunft: „Die kühle, windige Lage fördert die Aromatik und eine spätere Ernte.“ Faktoren, die Zukunft haben.
„Auch das ist Schilcher!“
Eine Wundertüte scheint Ried Hochgrail Reserve 2020: ein Jahr lang im französischen Eichenfass vergoren und gereift, mit 13 Prozent Alkohol frisch und trinkig. Am gelernten Gaumen mehr Rosé als Schilcher. „Wenn diesen Ausbau mehr Betriebe machen würden, gewinnt der Schilcher automatisch an Wertigkeit und findet vermehrt den Weg in die gehobene Gastronomie“, unterstreicht Friedrich. „Im Prinzip ist ein Sommelier ähnlich wie ein Autoverkäufer. Wenn er den Gast mit der Karte allein lässt, wird nicht viel dabei herauskommen. Es braucht aktive Betreuung und individuelle Empfehlung“, ergänzt Bayer. Gastgeber Friedrich, der uns zwischendurch schon das Backhendl zum Schilcher anpreist, plädiert für mehr Mut im einstigen Schilcherland. Er hat sich betrieblich zu 100 Prozent der Blauen Wildbachertraube auf zehn Hektar Rebfläche verschrieben. Das ergibt 16 verschiedene Ausbauarten. Bewusst hat er sich gegen einen Buschenschankbetrieb am Hof entschieden. „Ich bin davon überzeugt, dass der Gast gierig auf die Geschichte der Schilcherherstellung ist. Wir geben mit einer Rebsorte Gas und leben unsere Vision“, glüht der Familienvater. Neben Klassik, Ried Kirchberg, Ried Langegg und Ried Pirkhofberg ist der bernsteinfarbene
weißgepresste Blaue Wildbacher ein Aushängeschild am Weingut Friedrich. Ohne Maischestandzeit vinifiziert, lediglich verarbeiteter Seihmost – ein Wein, der schon jetzt Gusto auf den Sommer macht. Ein Blick auf die Weinland-Statistik zeigt: Die rund 480 Hektar Rebflächen im Raum Stainz und Deutschlandsberg sind nach wie vor mit nahezu 90 Prozent Blauer Wildbacher bestockt, über 260 Schilcherbetriebe sind in der Steiermark angesiedelt. Der Tenor der vier Verkostermusketiere: „Schilcher wird nie ein Massenprodukt, sondern immer eine Spezialität bleiben.“
von Tina Veit-Fuchs
Beitragsbild: hthanhvu13 von pixabay von canva