Was passiert, wenn man sich mit gleich sechs steirischen Kleinbrauern an einen Tisch setzt? Ein „Zapfenstreich“ zwischen Hopfenhelden und Malzbrüdern.
Bier auf Wein – das lass sein? Von wegen. Pünktlich zur Grillsaison setzen wir an dieser Stelle anstatt wie üblich auf eine Weinverkostung auf ein Bier-Tasting in illustrer Runde. Schäumen soll’s, prickeln darf’s, schmecken muss’. Eine Prämisse, die Gebhard Sauseng, Braumeister im Sudhaus der Anton Paar GmbH in Graz, Erik Kühnelt von der Walhalla Genusskulisse nahe Fehring, Alois Gratzer von der gleichnamigen Brauerei in Obertiefenbach, Thomas Winkler von Tom & Harry Brewing in Kapfenberg, Alfried Borkenstein alias Alefried aus Graz und die Brüder Johannes und Jakob Marn, Inhaber der Noom Kreativbrauerei in Riegersburg, nahezu unaufgefordert mittragen.
Der Zusammenhalt innerhalb der Branche ist groß, Neid und Missgunst werden anderen überlassen. „Wir Frauen müssen eben zusammenhalten“, merkt Gastgeber Gebhard Sauseng augenzwinkernd an. Und dann startet die Verkostung ausgerechnet mit einem rosaroten Bier. Die Berliner Weiße „Neo“ aus der Kreativbrauerei Noom ist nach der Kettle-Souring-Methode vergoren und präsentiert sich dank Ribiselzugabe in einem für Bier eher ungewöhnlichen Farbenkleid. Ein Mädchenbier? Nicht wirklich. „Als wir 2019 mit unserer Brauerei gestartet sind, war das unser erstes Bier – ein riskantes Unterfangen für ein so kleines
Unternehmen am Land. Unser Mut hat sich aber ausgezahlt“, geben die Brüder Johannes und Jakob Marn aus dem Vulkanland zu Protokoll. „Die Farbe an sich signalisiert eine wunderbare Leichtigkeit“, schwärmt Kollege Alois Gratzer. Die Redaktion schließt sich an: ein fantastisches Aperitifbier für noch fantastischere Sommertage.
Wir bleiben in der Farbfamilie und schenken „Umdala“ aus dem Repertoire des Sour-Ale-Könners Alfried Borkenstein ein. Die kategorische Beschreibung „Schwarze Holunder Weiße“ ziert das Etikett, im Glas animierendes, fruchtiges Rot – geschmacklich dennoch superschlank und angenehm beerenschalig, ein Resultat rausgekitzelt aus der Mikroflora lokaler Beeren. „Ich arbeite viel mit Früchten heimischer Produzenten oder pflücke das Obst auch selbst“, erklärt der Grazer. Sein Faible für Sauerbier resultiert großteils aus Englandaufenthalten und seiner ausgeprägten Tüftelleidenschaft. „Es ist durchaus eine Herausforderung, ein schlankes Craft Beer zu machen“, gesteht Borkenstein. Sein Fingerspitzengefühl erntet bei den anwesenden Kollegen erhobene Daumen.
Tulpenliebe
Weiter geht’s mit einem „wüden Pils“ aus der Bierschmiede Tom & Harry. Die Kapfenberger Thomas (Tom) Winkler und sein Kompagnon Harald (Harry) Kristen sind alte Schulfreunde und starteten das Brauen wie so viele Craft-Beer-Gefährten im Keller. Mittlerweile sind sie in Österreichs modernste Craft-Brewery Flecks umgezogen und schmieden im Almenland neue Kreationen.
Das präsentierte Pils ist mit 11,5 Prozent gar nicht so wild. Ein hopfenbetontes, klassisches Fassbier. „Sehr zugänglich, geschmeidig, nice“, urteilt Erik Kühnelt, Braufachmann in der Walhalla Genusskulisse. „Das Schöne in unserer Branche ist, dass wir ja alle Gleichgesinnte sind, die die Leidenschaft zum Bier im Herzen tragen. Diese Passion eint uns. Die gegenseitige Wertschätzung ist nicht bespielt“, betont Gratzer und füllt unsere Tulpen mit seinem bernsteinfarbenen, leicht trüben „Friedrich“ auf. Bereits 17 Sommer und Winter hat sich der Oststeirer Alois Gratzer Naturbieren verschrieben. „Das Wichtigste ist, den Landwirten in der Umgebung einen Weg zu zeigen, um die Wertschöpfung in die Region zurückzubringen. Nur dann ist es uns möglich, Tradition nachhaltig aufrechtzuerhalten.“
Seinen gesamten Malzbedarf deckt er deshalb mit eigener Winterbraugerste, die durch sein Zutun wieder in der Gegend angebaut wird. Verhalten in der kreativen Sortenvielfalt sind seine Biere zwischen brotig bis spritzig brav angesiedelt. „Der Friedrich ist ein perfektes Frühnachmittagsbier“, grinst Johannes Marn. Mittlerweile lugt der frühe Abend ums Eck.
Sterz-Krügerl
Der nächste Programmpunkt: ein Sterz Ale von Erik Kühnelt, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Tamara seit 2011 die Walhalla Genusskulisse in der Südoststeiermark betreibt. Er braut, sie bäckt und rext ein. In erster Linie werden nur Rohstoffe verwendet, die im eigenen Garten oder in unmittelbarer Umgebung gedeihen. Gemeinsam steht das Paar wöchentlich am Fehringer Samstagsmarkt und begeistert nicht nur die Region selbst mit seinem kulinarischen Handwerk.
„Was für eine starke Idee – ein Bier mit Polenta; sehr geil!“ Jakob und Johannes Marn
„Mit dem Sterz Ale habe ich versucht, ein eng mit dem Vulkanland verwurzeltes Bier zu machen, das den gestandenen Biertrinker abholt und gleichzeitig einen Spannungsbogen aufbaut“, konstatiert der studierte Germanist und Historiker. „Was für eine starke Idee – ein Bier mit Polenta; sehr geil“, streuen die Jungs von Noom Hopfendolden und schicken ihr IPA „Jam Session“ ins Rennen. Erstmals haben sie mit amerikanischem Hopfen gebraut, das Bier selbst ist erst wenige Wochen alt. Fazit: ein cremiges Mundgefühl und ein leichter Mangotouch, der auch einem Johannisbeeraroma noch Platz lässt. Insgesamt darf das Bier aber noch etwas runder werden, damit es so rinnt wie das Red Ale „Pluto“ – feine Süße dank Carared-Malz. „Sehr ausgewogen. Da braucht es keine weiteren Erklärungen“, wirft Gebhard Sauseng ein.
Der Gastgeber arbeitet seit 30 Jahren als Produktmanager bei Anton Paar. Messtechnik und Schankanlagen sind sein Steckenpferd. Irgendwann stand dann auch auf seiner Terrasse ein 20-Liter-Topf Braugut. Heute leitet er eine Mini-Bierindustrie im Sudhaus. Biertrinker sind Wiederholungstäter und Gewohnheitstiere. Wir brauen hier keine Magie, aber auch Konservativeres kann dem Endkunden ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, wirft Sauseng in die Craft-Beer-affine Runde. Seinem hellen Kellerbier liegt steirisches Biomalz zugrunde. Ein robuster Geschmacksgefährte mit leichtem Zitronencharakter.
Wir galoppieren weiter und nippen an Hanfbier von Tom & Harry, pfeffrigem „Fladarant“ von Alefried, spaßigem „Johann“ von Gratzer und karamelligem Sudhaus-Altbier bis wir beim erstklassigen Coffee Stout von Walhalla landen, das uns dank zwei Kilo Kaffee auf 200 Liter Bier ordentlich wachrüttelt. Das große Finale überlassen wir Borkensteins Vintage Oud Bruin 2017, im Stahltank und Weinfass vergoren. Heftig wie genial und ein Traum zu Treber-Brezel und Altbier-Ripperl!
TINA VEIT-FUCHS
Bierige Adressen aus der Steiermark
Sudhaus – Brauerei & Restaurant
sudhaus.at
Walhalla Genusskulisse
walhalla-genusskulisse.at
Tom & Harry Brewing
tomandharry.beer
Alefried
alefried.com
Brauerei Gratzer
brauereigratzer.at
Noom Kreativbrauerei
noom.at