Langstrumpf am Limonadenbaum

Nicht jede Villa ist kunterbunt und Michel heißt hier Emil i Lönneberga: Doch Südschweden, Astrid Lindgrens Heimat, ist ein ruhiges Idyll aus blauen Seen, roten Häusern und grünen Wäldern geblieben. Nur Limonadenbäume sind selten geworden.

Vimmerby liegt im nördlichen Småland und ist längst zur Kultstätte für Alt und Jung geworden: Für Eltern auf der Suche nach ihrer Kindheit, als viele kleine Pippi Langstrümpfe und Karlsons vom Dach die Kindermaskenbälle bevölkerten. Als „Michel aus Lönneberga“ im TV-Vorabendprogramm lief und die Welt in Ordnung war, auch wenn der Lausbub aus Katthult wieder einmal an einer Holzfigur schnitzen musste, weil er bisweilen Suppenschüsseln aufsetzte und kleine Schwestern flaggte, was seinem Vater Anton keine große Freude bereitete.
Astrid Lindgren hat über 145 Millionen Bücher verkauft und zählt zu den bekanntesten KinderbuchautorInnen der Welt. 1907 geboren, verbrachte sie ihre Kindheit im Pfarrhof Näs und scheint halb Vimmerby in ihren Geschichten verewigt zu haben, nicht nur die Polizeiwache aus „Kalle Blomquist“ und den Limonadenbaum im Park vor ihrem neuen Museum.

Kinder von Bullerbü

Dalapferde

Schweden ohne Dalapferd-Souvenir? Undenkbar! Die Tradition der Dalapferde lässt sich ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen und geht auf geschnitztes Holzspielzeug zurück, das die Einwohner der Gegend von Dalarna in Mittelschweden in den langen Winternächten anfertigten. (Foto: Amanda Westerborn)

Die Drehorte der Verfilmungen manch ihrer Erzählungen liegen nicht weit weg, hinter waldigen Hügeln und versteckten Weihern, die goldig torfig glänzen, wenn die Abendsonne im Sommer schräg steht. Dann wenn kleine Kinder eigentlich schon schlafen sollten, irgendwann gegen zehn Uhr am Abend. Lönneberga gibt es übrigens wirklich, ein kleiner Weiler hinter Sevedstorp, zwischen Pelarne und Mariannelund, der von Astrid Lindgren Bullerby genannt wurde: Hier wurden in den 1970ern die „Kinder von Bullerbü“ verfilmt, eine Ode an unbeschwertes Landleben zwischen Nordhof, Mittelhof und Südhof. Heute sind die schmucken roten Holzhäuser Privatbesitz und nur von außen zu betrachten.
Der Katthult-Hof, Heimat von „Michel aus Lönneberga“, heißt eigentlich Gibberyd und liegt in Rumskulla, 20 Kilometer westlich von Vimmerby. Emil i Lönneberga heißt unser Michael hier, da Astrid Lindgren für den deutschen Sprachraum keine Konkurrenz für Erich Kästners „Emil und die Detektive“ schaffen wollte. Die Leute dort leben gut vom Kult um Katthult, der schon über eine Million Menschen angezogen hat: Hof und Scheune sind da, Michaels Schnitzfiguren, die Wolfsgrube natürlich und auch die Fahnenstange, an der die kleine Schwester Ida „gehisst“ wurde. Und in der Souvenirbude am Eingang finden sich Emil-Stöcke, Emil-Poster und Emil-Schnitzfiguren in vielerlei Größen, zu so fantasievollen Preisen, dass nicht nur Schweden manchmal rot werden.

Pippi

Eine Kultstätte für jung und alt: Småland. Von Pippi Langstrumpf über Michel aus Lönneberga bis zu Karlsson auf dem Dach. (Foto: Alexander Moser)

Karamellbonbons für alle

Rund um Vimmerby gibt es eigentlich sehr viel richtiges Schweden. Die Wassermühle von Stenfors etwa, an einem idyllischen See voller Seerosen. Oder Norra Kvill, Schwedens kleinster Nationalpark, mit einer alten Papiermühle in Ösjöförs. Dazu Tusenårseken, die größte Eiche des Landes mit einem Stammumfang von 14 Metern, die Schiffssetzungen von Storebro oder die Djursdala kyrka, eine Holzkirche mit einzigartigem Altarschrein.
Doch Kindern ist das alles egal: Denn am nördlichen Ortsrand von Vimmerby liegt „Astrid Lindgrens Värld“, ein Freizeit- und Erlebnispark, wo alles dicht beisammen ist, was Kinder und Junggebliebene auch vierzig Jahre danach noch lockt: Liveshows und Filme die einen, verklärte Erinnerungen die anderen – und Karamellbonbons für alle. Eigentlich sind es viele Welten, die sich bei einem Marsch durch das Riesengelände auftun, vorbei am Kirschtal und der Mattisburg, wo Karlsson und der Landstreicher Paradies-Oskar gerade einträchtig Palatschinken jausnen, bevor ihre Showauftritte wieder weitergehen.

Planet Pippi

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Entweder kraxelt man auf übergroßen Sesseln herum oder man lässt sich als Pippi fotografieren. Aber auch sie selbst ist für Motive zwischen den Show-Acts immer zu haben. (Foto: Alexander Moser)

Seit 1981 werden das Gelände und das Programm stetig erweitert: Die Villa Kunterbunt etwa, wo Pippi Langstrumpf mehrmals täglich die Polizisten Kling und Klang verulkt und danach jedes Kind auf dem Kleinen Onkel sitzen will, dem Pferd von Pippi – sie liegt längst an einem kleinen See, um auch ein wirkliches Piratenschiff ins Taka-Tuka-Land-Land fahren zu lassen. Kaum zu finden ist die Mattisburg, das Schloss von „Ronja Räubertochter“, mit abenteuerlichen Gefechten tief im Wald. Auch ein Nachbau von Katthult ist da, wo Knecht Alfred und Magd Lina ihre liebe Not mit Emil haben, der in der Pferdekutsche dreimal täglich unterwegs zum Arzt ist. Seit 2007 gibt es mit „Ferien auf Saltkrokan“ den ersten Schauplatz unter Dach, sollte das Wetter einmal nicht mitspielen, was in Skandinavien bisweilen vorkommen soll.
Dazu locken Labyrinthe zum Verstecken, Klettern wie Pippis Äffchen Herr Nilson und das Städtchen Vimmerby im Minimundus-Format: Die Häuser sind für Kinder gebaut, die darin nach Herzenslust Unfug treiben können, bis der Park sperrt und im Feriendorf daneben die ersten Grillwürste brutzeln. Gut jedenfalls, dass das Gute hier drinnen immer siegt. Und schön, dass es Astrid Lindgrens Welt noch gibt. Nicht nur im Themenpark von Vimmerby, sondern auch drumherum. Bullerbü ist überall.

GÜNTER SPREITZHOFER

Info

Vimmerby hat knapp 20.000 Einwohner und liegt etwa 300 km südlich von Stockholm bzw. 260 km östlich von Göteborg.

Tourist Office Vimmerby (mit Tipps für Unterkunft und Unternehmungen)
Astrid Lindgrens Värld
Ferienhäuser rund um Vimmerby

Beitragsbild: (c) Alexander Moser