Mit der „Aranui“ durch die Inselwelt der Marquesas.
Nuku Hiva, Ua Huka oder Tahuata – exotisch und fremdartig klingen diese Inselnamen. Genauso eigenwillig und einzigartig ist die Reise mit der „Aranui 5“. Das von Tahiti/ Papeete abfahrende Frachtkreuzschiff bringt Erlebnishungrige (und Schiffsreisende) in eine immer noch geheimnisvolle und unbekannte Welt Polynesiens – auf die Inselgruppe der Marquesas!
Die Marquesas
Sie gehören zum 118-Inseln-Reich von Französisch-Polynesien , liegen am anderen Ende der Welt und sind die mit am weitesten vom Festland entfernte Inselgruppe der Welt. Reisende aus Europa müssen Flüge bis zu 30 Stunden einplanen mit 12 Stunden Zeitunterschied. 14 Inseln mit 1.274 Quadratkilometern, bewohnt von knapp 10.000 Menschen, warten darauf, entdeckt zu werden. Zum Klischee des klassischen Südseeurlaubs mit türkisfarbenen Lagunen und leuchtenden Sandstränden gehören die Marquesas übrigens nicht. Dort wartet spektakuläre Natur mit Bergen, Fjorden, Klippen und Wasserfällen, dazu polynesische Kultur – und viel Einsamkeit. Gerade deshalb lohnt nach dem internationalen Flug ein Aufenthalt auf Tahiti oder der per Fähre erreichbaren Nachbarinsel Moorea. Zeit zum Akklimatisieren im tropischen Klima – und zum Schauen, Staunen und Genießen. Vormittags in den Bergen wandern, nachmittags am Strand chillen und abends mit dem Sundowner in der Hand das tägliche Sonnenuntergangsspektakel und die gute Hotellerie genießen.
„Eine Insel, die die Anker lichtet Und die seit den Pforten der Kindheit In unseren Augen schlummerte.“ Jacques Brel über Hiva Oa (1962)
Leinen los.
Bis zu 20 Mal im Jahr bricht die „Aranui 5“ vom Hafen in Papeete/ Tahiti auf, um die in Containern gebunkerte Fracht in die Inselwelten zu bringen. Und eigentlich bestimmt die Fracht noch immer das Routing, wenn auch die seit 2015 in Dienst stehende „Aranui 5“ im Vergleich zum Vorgängerschiff „Aranui 3“ eher ein angenehmes „schwimmendes Hotel“ mit 250 Betten, Restaurant, Bars, Lounges, einem Spa und sogar einem kleinen Pool ist. Das Kabinenangebot reicht von komfortablen Außenkabinen mit Balkon über die klassischen Bullaugenkabinen bis zum „Viererzimmer“. „Aber beim Essen und bei den Landgängen gibt es keine Unterschiede. „Aranui“-Reisende sind oft keine klassischen Kreuzfahrtkunden, sondern ehemalige Backpacker und Entdeckernaturen mit viel Reiseerfahrung“, erzählt Jörg Nitzsche, der als Guide für deutschsprachige Gäste fungiert. Und so regiert eine sehr relaxte Atmosphäre auf dem Frachtkreuzer, Dresscode ist nicht wichtig, Animationsprogramme und nächtliches Bartreiben halten sich in Grenzen. „Wenn das Internet an Bord mal nicht funktioniert, bedeutet das keinen Stress. Vielleicht findet man Zeit, in der netten kleinen Biblio zu schmökern, das Ukulele-Spiel zu lernen, oder man schaut dem Bordkoch beim Zubereiten von leckerem rohen Thunfischsalat auf die Finger“, lächelt Jörg.
Ein Erfurter auf Tahiti
Der sympathische Jörg ist mit einigen Tausend Euro auf Südseetrip gegangen, hat sich in die Südsee und Französisch-Polynesien verliebt, dann seine von den Marquesas stammende Frau kennengelernt – und ist geblieben. Als Lektor, Tourguide und Wanderexperte wird er von der „Aranui“ gebucht, wenn deutschsprachige Gäste mit an Bord sind. In den Lektoratseinheiten gibt’s viel zu berichten über Polynesien und seine Bewohner. Die Landgänge sind ohnehin ein Bombardement an Vielfalt betreffs Natur und Kultur. Jörg berichtet über „tikis“ und „tapus“, die enormen Fähigkeiten der Polynesier in der Seefahrt, über Stammesleben, magische Orte und Menschenopfer.
Marquesas-Inseln in Sicht.
„Jedes Landemanöver auf dieser Fahrt ist spannend zu beobachten, manchmal müssen wir auch mit Tenderbooten an Land gehen. Schaut euch unbedingt das ganze Getriebe beim Ent- und Beladen an. Das ist ja das Ursprungsgeschäft der ‚Aranui‘“, rät Jörg. Alle drei Wochen herrscht Feiertagsstimmung in den sonst verwaisten Häfen, wenn die „Aranui“ mit ihren Frachtcontainern für Nachschub sorgt. Vom Zucker bis zu Chicken Nuggets, von tiefgefrorenen Pommes über Kaffee bis zu Arzneien, von Werkzeug bis zu Autoreifen und Benzin reicht die Palette. Im Gegenzug wird Kopra (getrocknete Kokosnusskerne) tonnenweise mitgenommen. Tja – und neben der Importware aus Frankreich kommt zumindest für einige Stunden eine größere Gruppe von Touristen mit an Land.
Vielfalt pur.
Sechs Inseln läuft die „Aranui“ an – und jede hat ihre Eigenheiten. Die grandiose UNESCO-geschützte Kultstätte von Kamuhiei mit ihren Steinfiguren, die Dolomitenlandschaften von Ua Pou, der Botanische Garten und die landschaftliche Vielfalt von Ua Huka, die Atmosphäre kleiner Kunstmärkte, die steinernen Zeugen alter Versammlungsplätze, die mit 2.000 Einwohnern größte „Stadt“ Atuona, das wilde Inselinnere von Hiva Oa oder die 16 Kilometer lange Wanderung auf Fatu Hiva zwischen einsamen Küstendörfern. „Das alles und viel mehr versteckt sich hier auf knapp 1.300 Quadratkilometern“, ist der Wahlinsulaner Jörg stolz auf die kleinen Geheimnisse seiner Marquesas. „Mit Spaziergängen in den Dörfern – viele wählen auch die individuelle Form – und vor allem bei Wanderungen lernen die Besucher die Seele dieser fast vergessenen Welt Polynesiens näher kennen“, schwärmt das Entdeckerherz des Deutschen. „Und natürlich können Gäste per Mountainbike, mit Motorroller oder sogar Mietwagen auf Entdeckungstour gehen. Die Menschen sind freundlich, Kriminalität ist unbekannt, giftige Tiere gibt’s nicht – und das Klima ist hervorragend von Mai/Juni bis Oktober.“
Künstlerinseln.
Für Dichter und Künstler waren die Marquesas immer Ziel und Herausforderung. Zwei berühmte Europäer haben auf Hiva Oa ihre letzten Lebensjahre verbracht und sind hier begraben: der belgische Chansonnier Jacques Brel und Meister Paul Gauguin. Auf der Suche nach dem ursprünglichen Leben (und etwas lockereren Sexualsitten) kam der Maler hierher, um festzustellen, dass selbst im letzten Winkel Polynesiens der westliche Lebensstil und das Christentum viele Traditionen verdrängt hatten. Eine Dauerausstellung im Espace Culturel Paul Gauguin zeigt viele Reproduktionen seines Schaffens, in der Nähe ist Brels Flieger „Jojo“ im Hangar ausgestellt. Der Abenteurer und Schriftsteller Jack London ankerte bei seiner Segeltour durch die Südsee auch in der spektakulären „Bucht der Jungfrauen“ vor Fatu Hiva. Ganz klar, dass 1.000 Meter aufragende Klippen, wilder Dschungel mit tropischen Wasserfällen und zwei einsame Dörfer Inspiration für ihn waren. Genauso für Herman Melville, der seine Meuterei vom Walfänger und sein verstecktes Leben auf Nuku Hiva im berühmten Roman „Moby Dick“ und in der Erzählung „Taipi“ einfließen ließ. Und Norwegens Paradeforscher Thor Heyerdhal überlebte hier sein Experiment nur knapp.
Südseeträume live.
Idylle und Traumkulissen pur bietet die „Aranui“, wenn sie bei der Anfahrt auf die Marquesas auf dem Inselarchipel der Tuamotus Fakarava ansteuert und beim Rückweg auf Makatea einen Zwischenstopp einlegt. Türkisfarbenes Meer, weite Sandstrände, Lagunen und Riffe laden zum Chillen, Träumen oder zum Tauchgang, in Makatea kommt als Fotospot eine sehr pittoreske Ghosttown dazu.
Last Stopp …
… vor der Rückkehr nach Tahiti ist übrigens Bora-Bora. Allein der Name bürgt für Südseefeeling, die Wasserfarbe in der Lagune ist unglaublich – und die Wanderung auf die Bilderbuchberge schweißtreibend. „Aranui“-Reisende können hier schon einen Tag vor Ende der Fahrt von Bord gehen, sparen sich die teure Anreise. „Nach so vielen Eindrücken tun vor dem langen Heimflug harmonische Tage in einer der schönsten Lagunen unserer Welt einfach gut“, lächelt Jörg wissend. Endstation Sehnsucht erreicht!
Text und Fotos: Sabine und Sepp Puchinger