Mare, Monti, Mafia

Mare, Monti, Mafia
Dass Siziliens Kultur ihre verwegenen Seiten hat, lässt sich nicht leugnen. Kulinarisch gesehen hat die Insel an der italienischen Stiefelspitze ihren Logenplatz ganz klar verdient.

„Denke ich an Neapel, ja gar nach Sizilien, so fällt es einem sowohl in der Erzählung als auch in Bildern auf, dass in diesen Paradiesen der Welt sich zugleich die vulkanische Hölle so gewaltsam auftut und seit Jahrtausenden die Wohnenden und Genießenden aufschreckt und irre macht.“ So beschreibt Johann Wolfgang von Goethe seine Eindrücke in „Italienische Reise“ im Jahr 1787. Seitdem ist einiges an Zeit vergangen. Der quirlige Süden Italiens, durch die päpstlichen Staaten vom restlichen Italien getrennt und auch als „Mezzogiorno“ bekannt, gilt jedoch immer noch als Brennpunkt des Stiefels – wirtschaftlich wenig entwickelt, mit geringen politischen Strukturen, stattdessen von einer kriminellen Unterwelt beherrscht.

Einige Teile des Mezzogiorno (italienisch für „Mittag“ – abgeleitet vom südlichen Sonnenstand um diese Tageszeit) haben in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt – nicht zuletzt dank des Tourismus. Dazu zählen vor allem die Küstenregionen sowie die Inseln, ­allen voran Sizilien. Zählte die Hauptstadt Palermo früher noch zu den gefährlichsten Städten der Welt, wandelte sich dieses Image spätestens, als sie 2018 zur Kulturhauptstadt erkoren wurde. Heute gilt Palermo nicht nur als sicherste Stadt Italiens, sondern auch als eine der schönsten.

„Ein Fisch muss drei Mal schwimmen: im Meer, im Öl und im Wein.“ – Italienisches Sprichwort

Das Hauptanbaugebiet für italienische Pistazien ist Bronte am Fuße des Ätna. Pasticcini morbidi al pistacchio – (traditionelle weiche Pistazienkekse) werden ohne Mehl gebacken. Sizilianer genehmigen sich dazu gerne einen Limoncello-Likör. © Rosario Scalia/Adobe Stock

Kultureller Schmelztiegel

Sizilien wird von drei Meeren umspült: dem Tyrrhenischen Meer im Westen, dem Ionischen Meer im Osten und dem Mittelmeer im Süden. Von Kalabrien auf dem italienischen Festland ist die Insel nur durch die schmale Straße von Messina getrennt. Zahlreiche Zivilisationen entdeckten und eroberten die Sonneninsel südwestlich der italienischen Stiefelspitze und hinterließen dabei ihre Spuren – von den Griechen über die Römer, die Normannen bis hin zu den Arabern.
Kein Wunder also, dass das Erbe der Insel einem bunten Potpourri aus Architektur, Kunst, Kulinarik und Geschichte gleichkommt. Neben den touristischen Trümpfen durch spektakuläre, unberührte Naturschauplätze und historische Städte, die von früheren Fremdherrschaften  zeugen – darunter Syrakus, Taormina und Catania –, zehrt Sizilien von der Landwirtschaft.

Auch wenn der Ätna, ältester und aktivster Vulkan Europas, immer wieder die Gemüter erhitzt – durch seine Lava sorgt er für enorm fruchtbaren Boden, auf dem unter anderem Feigen-, Mandel- und Pistazienbäume sowie Artischocken gedeihen, im Herbst Pilze und Maroni.
Dazu kommen in den letzten Jahren stets steigende Temperaturen, durch die der Anbau von exotischen Früchten mittlerweile Standard ist – und ständig kommen neue Sorten dazu. Steckenpferd sind jedoch nach wie vor ­Zitronen, die vor 1.000 Jahren von den Arabern auf die Insel gebracht wurden. Mittlerweile sind 90 Prozent der Zitronenproduktion in sizilianischer Hand.

Aus dem Meer auf den Teller

Als eine der unverzichtbaren Säulen der sizilianischen Wirtschaft gilt auch die Fischerei – allein die Fischzucht der Insel macht rund ein Viertel der italienischen Gesamtproduktion aus. Wer Fisch und Meeresfrüchte liebt, wird hier nicht enttäuscht. Hoch im Kurs stehen vor allem Thun- und Schwertfisch: Die Jagd nach dem blauen Thunfisch, die „Mattanza“, wird hauptsächlich in der Region um Trapani betrieben und geht auf eine jahrhunderte­alte, angeblich arabische Technik zurück. In der Straße von Messina wiederum laufen Fischer mit Booten aus, die über hohe Aussichtstürme und lange Bugbrücken verfügen, von wo aus sie Harpunen auf riesige Schwertfische schleudern.

Abseits der Küste

Während die Kulinarik der insgesamt 1.152 Kilometer langen Küste Siziliens von Fisch und Meeresfrüchten geprägt ist, steht im Inselinneren und in den Berg­regionen traditionell mehr Fleisch auf dem Speiseplan. Auf den Tisch kommen hier am häufigsten Lamm, Schwein, Pferd oder Wildkaninchen. Neben Pasta und Reis wird dazu gerne Couscous gegessen – wodurch einmal mehr der frühere arabische Einfluss deutlich wird. Um typisch sizilianische Fleischgerichte zu probieren, muss man jedoch nicht ins Landesinnere – man findet sie genauso auf den großen Märkten (etwa in Catania), die sämtliche Spezialitäten des Landes, ob aus dem Meer, vom Feld oder aus den Bergen, darbieten.

Hier sollte man allerdings auf etwas gefasst sein: Die „From nose to tail“-Verwertung von Tieren ist in Sizilien selbstverständlich – dementsprechend findet man an den Ständen auch sämtliche Innereien von der Kuttel bis zur Aorta. Wem das zu viel ist, der findet vielleicht an der süßen Seite Siziliens mehr Gefallen: Die Kombination aus traditionellen Pistazien- und Mandelkeksen, begleitet von hausgemachtem Limoncello, bilden die Essenz des ­süd­italienischen Dolce Vita.

Von Anja Fuchs

Beitragsbild: Viliam/Adobe Stock