Mit Musik Brücken bauen

Die europäische Initiative Superar bringt kostenfreie Musikförderung in Volksschulen an sozialen Brennpunkten. Beim gemeinsamen Musizieren werden soziale, religiöse und nationale Grenzen überwunden.

Etwas schaffen, überwinden, so die Bedeutung des spanischen Verbes superar. Etwa im Sinn von: „We shall overcome.“ „Superar“ ist auch der Name eines Vereines, der 2009 durch die Kooperationspartnerorganisationen Caritas Wien, Wiener Sängerknaben und Konzerthaus Wien gegründet wurde.

Mit dem Ziel, kostenfreie und hochwertige musikalische Ausbildung für jedes Kind zu ermöglichen. Superar nutzt die Kombination von Kultur und Sozialem als durchschlagende Kraft gegen soziale Armut. Denn kulturelle und soziale Vernachlässigung sind dramatische Formen von Armut, die oftmals den Verlust der Identität und des Selbstwerts bedeuten und schließlich die Spirale nach unten in Gang setzen. Ein Umstand, den auch aktuelle soziologische Studien bestätigen:

Demnach wirkt sich die soziale Herkunft in hohem Maße auf die Bildungsbeteiligung aus. Ein niedriger sozialökonomischer Status der Eltern hat eine ausgeprägte Bildungsbenachteiligung der Kinder zur Folge. Die am stärksten Betroffenen sind Schüler mit Migrationshintergrund, in Österreich derzeit fast jedes vierte Volksschulkind.

Gemeinsames Musizieren als Erfolgserlebnis

Die positive Energie von Musik, auch über Grenzen hinweg, und die Erfahrung gemeinsamen Musizierens stärken die Teilnehmer in ihrer Persönlichkeit und damit in ihren Chancen in der Gesellschaft von morgen. Superar-Schüler erhalten täglichen Unterricht in den Fächern Chor oder Orchester durch ausgebildete Künstler und Künstlerinnen.

Der Unterricht folgt einer eigenen Methode, findet grundsätzlich in der Gruppe statt und ist mit vier bis acht Stunden pro Woche relativ intensiv. Es gilt: Jedes interessierte Kind kann teilnehmen und wird auf höchstem musikdidaktischem Niveau gefördert.

Was zählt, sind der Spaß und die Verantwortung gegenüber den anderen Teilnehmern. So führt die Methode von Superar relativ rasch zu einem gemeinschaftlichen Erfolgserlebnis, das zusätzlich motiviert. Ein gemeinsames Repertoire für alle Superar-Standorte ermöglicht jederzeit gemeinsame Auftritte.

Erfolgskonzept mit Breitenwirkung

Heute betreut Superar rund 1200 Kinder und Jugendliche an 16 Standorten in Österreich, neben Wien auch in Graz, Salzburg und Vorarlberg. International arbeitet Superar mit 1150 Kindern und Jugendlichen an elf Standorten in der Slowakei, der Schweiz, Liechtenstein, Rumänien und Bosnien.

Superar Österreich beschäftigt aktuell 25 Chorleiter, die zumeist positive Migrationsbiografien mitbringen. Alleine in Wien singen und spielen Kinder mit 29 muttersprachlichen und elf religiösen Hintergründen bei Superar.

 

Begegnung zwischen den Kulturen

In der Steiermark nehmen ausgewählte steirische Volksschulen aus sozialen Brennpunkten an Superar teil. Ein gezielt steirisches Profil startete im Herbst 2013 mit einem Pilotprojekt an der Volksschule Afritschgasse und sieht in der nächsten Ausbauphase eine Ausweitung auf mehrere Standorte in Graz und in den Regionen vor, etwa in der 1217-Seelen-Gemeinde St. Marein bei Knittelfeld.

Die Ansiedlung des dortigen Flüchtlingswohnheimes war ein tiefer Einschnitt ins traditionelle „Ortsbild“ und ins Kulturverständnis der Menschen. Jetzt existieren zumindest zwei Kulturen nebeneinander. Bisher hatte es niemand in die Hand genommen, die beiden zusammenzuführen und den Wert in der Unterschiedlichkeit der Kulturen zum Thema zu machen. Superar Steiermark will diese Lücke jetzt schließen.

Eine Bühne für Kinder

 

Foto: Fotoatelier Robert Frankl

 

Ebenso bedeutsam wie der Superar-Unterricht sind regelmäßige, gemeinsame Auftritte auf renommierten, internationalen Konzertbühnen, die durch Partnerorganisationen und andere Superar-Standorte in Europa ermöglicht werden. Mehr als 100 öffentliche und nicht-öffentliche Bühnenauftritte wurden im vergangenen Schuljahr bewältigt.

Denn regelmäßige Auftritte vor Publikum stärken das Selbstbewusstsein, wecken Begeisterung und gewährleisten zielorientiertes Arbeiten. „Bei Superar geht es nicht darum, Kindern eine starke Stimme zu geben. Denn diese Kinder singen laut und deutlich für sich selbst“, so Caritas-Präsident Michael Landau, der auch bei Superar als Präsident fungiert. „Es sind Stimmen, die jede für sich und alle gemeinsam Teil des einen großen Konzerts sind, das Gesellschaft ausmacht.

Wer diese Stimmen einmal gehört hat, weiß: Sie verleihen unserer Gesellschaft einen schöneren, einen tieferen Klang. Meist vielstimmig und immer in Dur. Als Caritas wollen wir diesen Kindern gemeinsam mit unseren Partnern eine Bühne bieten.“ Zu den Bühnen-Highlights zählen unter anderem der Auftritt von 80 Superar-Chorkindern bei der Eröffnung zum Eurovision Song Contest am 23. Mai 2015 in Wien und der Auftritt des Superar Chors Bosnia beim Papstbesuch am 6. Juni 2015 in Sarajevo.

Durch die respektvolle Förderung und Führung der Kinder und die große Begeisterung bei Auftritten wird die Bewegung auch in die unmittelbare Umgebung der Schüler getragen. Nach Möglichkeit wird das Umfeld der Schüler auch direkt in die Aktivitäten von Superar einbezogen.

„Dieser Ansatz ist zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Er verstärkt die Wirkung von Superar in Familien und Umfeld hinein und fördert gegenseitige Wertschätzung über das Medium Musik in breiten gesellschaftlichen Schichten“, erläutert Werner Binnenstein-Bachstein, Gründungsmitglied und Vizepräsident des Vereins Superar.

Liederabend für Superar

Die Finanzierung der täglichen Musikstunde wird von Spenden getragen,  und das mitunter von sehr prominenter Seite. So stellt die gefeierte Opernsängerin Angelika Kirchschlager ihre Kunst in den Dienst der guten Sache: Mit einem Liederabend unterstützt die Mezzosopranistin das Projekt. Kirchschlager ist am 5. Oktober gemeinsam mit dem Pianisten Robert Lehrbaumer im Grazer Minoritensaal  zu erleben.

 

CLAUDIA PILLER-KORNHERR

Beitragsbild: Lucija Novak