Schwab und Schwab in der Vita Kunterbunt – ein Gespräch

Schwab | Grafik: Kirstin Schwab
„Einmal mit alles“– dieses Motto ist den Künstlerinnen Friederike und Kirstin Schwab auf den Leib geschneidert. Wir baten das Mutter-Tochter-Gespann zum Gespräch.

Gespräche über Kunst sind im Hause Schwab keine Seltenheit. Wenn sich Tochter Kirstin, Schauspielerin, mit Mutter Friederike­ „Riki“, Autorin und Malerin, austauscht, zischt es – vor Kreativität, Herzlichkeit, Tiefsinn und Humor. Die Künstlerinnen eint die Liebe zu vielen Sparten und die Lust, ein Leben voll Kunst zu führen.

Wie kam es bei euch dazu, gleich mehrere Kunstsparten zu „bespielen“?
KIRSTIN: In der Kindheit waren alle diese Disziplinen selbstverständlich da – Schreiben, Theaterspielen, Gestalten. Ich habe aus alten Schallplatten Kunstobjekte gemacht und Gedichte geschrieben – bei denen es mir heute die Schuhe auszieht.
Und du, Riki, hast um die Platten geweint?

RIKI: Nein, da mir selbst diese Tollkühnheiten als Kind nicht erlaubt wurden – ich wurde sehr eingeschränkt und streng erzogen –, durfte sie fast alles. Zu

KIRSTIN: Du hast gespielt, wir haben Verwandte, Bekannte, eingeladen, damit ein Forum da war.

Für dich, Riki, war die Hinwendung zur Kunst ein Ausbrechen aus dieser Beschränkung?
RIKI: Ja, wir waren sehr arm, hatten wenig Spielzeug und ich hab sehr früh die Ent­deckung gemacht: Ich kann mir alles Mögliche selber machen. Das war dieses Mehr: Ich mach mir die Puppe selbst und ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich mach mir mein Leben sowieso selber. Wie Pippi: Ich mach mir die Welt . . .?

RIKI: Ja, auch einen „anderen“ Beruf.

KIRSTIN: Ich wollte auch einen ungewöhnlichen Beruf. Zuerst Pilotin, dann Backgroundsängerin. Jedenfalls etwas, das nicht jeder macht.

Total unterschiedliche Basis, aber beide seid ihr in die künstlerische Vielfalt gegangen.
RIKI: Die eine, weil sie die Möglichkeiten bekommen hat, die andere, weil sie sie nicht bekommen hat.

KIRSTIN: Ja, stimmt!

Schwab | Foto: Rief-Taucher

Foto: Rief-Taucher

Wäre alles ganz anders, wenn man ein Puzzle­teil aus dem Leben rausnehmen würde?
RIKI: Möglich, aber das glaubt man manchmal nur. Da man das Talent ja nicht misst. Dieses Bedürfnis.

KIRSTIN: Es ist so, dass man ohne das künstlerische Gestalten gar nicht kann. Aber das als Beruf zu machen, nicht als Hobby, ist wichtig. Dass es ein Buch wird, ein Stück, das ein Publikum findet, dass man sich dem ganzen Prozess bis zum bitteren Ende stellt.

RIKI: Ja, es ist eine Entscheidung.

KIRSTIN: Viele haben mir gesagt: Mach’s als Hobby, studier was anderes.

RIKI: Weil das Berufliche schwierig wird. Von der allgemeinen Logik her ist es verständlich.

Zu den Anfängen: Was war zuerst?
RIKI: Ich habe die Malerei aufgewertet erfahren durch meine Ausbildung, das Schreiben damals noch nicht. Ich habe lange geschrieben, ohne zu veröffentlichen. Unspielbare Theaterstücke mit unsichtbaren Schauspielern (lacht), zu poetische Hörspiele.

KIRSTIN: Bei mir stand die Schauspielerei im Vordergrund. Ich habe immer geschrieben, aber es war klar, dass ich die Schauspielschule machen will. Daneben entstanden dann Gedichte, auf Reisen habe ich auch begonnen, auf Englisch zu schreiben.

RIKI: Wir haben immer Sprachspiele gespielt. Wenn ich gesagt hab, das Leben ist schon hart, hat die kleine Kirstin gesagt: Soll es aber weich sein!? Unvergesslich, dieser Satz! Ich habe ein ganzes Büchlein mit all diesen Zitaten von damals.

Kirstin, du meinst, „es schärft den Blick“, mehrere Sparten zu bespielen. Wie siehst du das, Riki? „Zerspragelt“ es einen auch?
RIKI: Das eine ist, dass man ein schlechtes Gewissen kriegen kann, wenn man viel Zeit nur mit dem einen verbringt. Wenn ich viel male oder umgekehrt viel schreibe. Es ist aber eine unendliche Bereicherung, denn in der Sprache ringt man oft um den Ausdruck von etwas, was man nicht erklären kann, in der Malerei ringt man um die Bildhaftigkeit dessen. Aber es ist schön zu wissen, dass eigentlich alle Künste um ein Menschsein ringen, das im Innersten stattfindet und keine andere Sprache hat als die Kunst. Es gibt keine andere Sprache in meinen Augen. Es ist ein tief menschliches Bedürfnis, kreativ zu sein . . . Das wollte ich dir, Kirstin, vermitteln: Kreativ sein heißt leben!

KIRSTIN: Ist angekommen! Ich seh das auch so. Manchmal hatte ich schon das Gefühl, dass ich in deine Fußstapfen trete . . .

RIKI: . . . aber jetzt merken wir die Unterschiede immer stärker.

KIRSTIN: Zum Beispiel wie wir Gedichte schreiben. Der Zugang ist ein anderer, haben wir festgestellt.

RIKI: Bei ihr spürt man mehr die Bewegung des Körpers . . .

KIRSTIN: Handlungen, Emotionen . . .

RIKI: Ganz anders bei mir, wo es oft Sinnfragen sind oder auch Bildhaftes.

Hast du auch ein schlechtes Gewissen, Kirstin?
KIRSTIN: Ja, ich habe dauernd das Gefühl, mich zerreißt’s! Wenn ich Proben habe, hab ich keine Zeit zum Schreiben, wenn ich unterrichte, keine Zeit zum Spielen . . .

RIKI: Aber es ist die Frage, ob Künstler, die nur eine einzige Domäne haben, nicht auch ständig unzufrieden und auf der Suche sind.

Kann eine Kunst der anderen auch „hinein­grätschen“, sie also negativ beeinflussen?
RIKI: Bei meinen ersten Lyrikbänden wollte ich unbedingt vermeiden, das Bildhafte einfließen zu lassen – heute benütze ich es aber.

KIRSTIN: Ich habe manchmal Angst, dass meine Lyrik, da viele Dinge für mich so emotional sind oder über den Körper passieren, dadurch zu wenig durchdacht oder zu sehr empfunden sind. Als Schauspielerin kann ich nicht umhin, mir manchmal Gedanken zu Regie, Kostüm, Bühne, Sprach­gestaltung zu machen. Das ist manchmal peinigend, weil: Man kann nicht drinnen sein und draußen, man muss entscheiden.

RIKI: Unterm Strich: Es ist eine enorme Bereicherung, bringt aber nicht nur Vorteile.

Schürft ihr in jeder Sparte tief?
RIKI: Ja. KIRSTIN: Theater und Schreiben will ich erforschen, aber die Grafiken in meinem Gedichtband dürfen „flockig“ sein.
Riki, du sagtest einmal, Kunst ist „eine Art Liebe zur Welt“. Was ist sie für dich, Kirstin?

KIRSTIN (lacht): Na das ist jetzt schwierig, in diesen Fußstapfen nachzulatschen! Für mich ist es ein Zusammenkommen von Herz und Hirn, von Bauch und Kopf, von Denken und Fühlen, dass man auf beiden Ebenen die Welt und sich selbst begreift.
Es ist eine große Faszination, dass man etwas erschafft, das es einfach kein zweites Mal so gibt.

Was seid ihr als Künstlerinnen füreinander?
RIKI: Für mich ist es eine schöne Spiegelung: Man kann die eigenen Interessen im anderen gespiegelt sehen, das ist was Wunderbares. Das Anderssein der Kirstin in der Literatur kann mich auch ermutigen, andere Gesichtspunkte einzunehmen. Ich lese ihre Gedichte irrsinnig gerne, weil sie einen spontanen, gewitzteren Zugang hat als ich und mir eine Leichtigkeit vermittelt, die ich so nicht besitze.

KIRSTIN: Du bist für mich schon eine Instanz, was Tiefe und Qualität betrifft. Im Austausch war deine Meinung immer extrem
wichtig. Ich habe großen Respekt davor, dass du schon so lang diesen Weg gehst. Die Kunst zu nützen, um ein gutes Leben zu führen, es als etwas zu nehmen, das dich als Mensch reifen lässt und dir Halt gibt, das ist für mich ein Vorbild.

 

 

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

Friederike Schwab
Autorin und Malerin, geb. 1941 in Graz, lebt in Graz.
Studienabschluss im Fach Malerei an der Kunstgewerbeschule Graz, Ortweinplatz.
43 Einzelausstellungen seit 1969, zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen. Gemäldeankäufe seitens des Landes Steiermark, der Stadt Graz, des LKH Graz, der Stadt Voitsberg, des ORF und vieler Privater. Unterrichtet Aktzeichnen bei Urania Graz.
3 Romane, 2 Erzählbände, 6 Lyrikbände, 1 Kinderbuch. Unzählige Anthologien, ORF-Rundfunksendungen (Hörspiele, Lyrik, Erzählungen), Literaturzeitschriften.
Literaturpreis der Stadt Graz 1992, Christine-Busta-Lyrikpreis Wien 2006.
friederikeschwab.at

 

Kirstin Schwab
Schauspielerin, Autorin, Theaterpädagogin, geb. 1976 in Graz, lebt in Wien.
Schauspielstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (Mag. art).
Zahlreiche Produktionen mit dem aktionstheater ensemble. Film und TV:
Die Siebtelbauern, Die Frischlinge, Gesprungen, Erdbeerlust. Solostück „Kirstin Schwab sitzt auf dem Sarg und feiert Geburtstag” (Text, Regie, Schauspiel, 2017).
2 Lyrikbände, 1 Kinderbuch. Anthologien, ORF, Literaturzeitschriften, Presse/Spectrum. Szenische Lesungen. Weltweit Theaterworkshops und -seminare.
kirstinschwab.at

Erste gemeinsame Kunstaktion von Schwab+Schwab: Ausstellung und Lesung am 23. April 2020, Galerie Centrum, Graz

 

Frisch gedruckt

Schwab Friederike Schwab:
Luftglück und Knisterpapier
Gedichte. Verlag Löcker, Nov. 2019

Schwab Kirstin Schwab: 
Teller RandGänge
Lyrik der Gegenwart.
Verlag Edition Art Science, Sept. 2019

 

Beitragsbild: Kirstin Schwab