Hund und Mensch sind einander seit Tausenden Jahren in treuer Partnerschaft verbunden. Der größten Liebesgeschichte der Evolution auf der Spur.
In einer Wiener Volksschulklasse startete im Jahr 2000 ein ungewöhnliches Versuchsprojekt: Über mehrere Wochen bekamen die 24 Kinder einen Hund an die Seite gestellt, der permanent im Klassenraum anwesend war. Das Verhalten der Kinder während dieser Zeit wurde auf Video festgehalten. Der Verhaltensforscher Dr. Kurt Kotrschal begleitete das Projekt von wissenschaftlicher Seite und war zunächst skeptisch: „Welche Wunderwirkungen waren von einem in der Klasse lediglich anwesenden Hund schon zu erwarten?“
Kinder profitieren von Hunden
Das Ergebnis fiel überraschend aus: Die Kinder hatten während der Zeit mit ihrem vierbeinigen Klassenkameraden massive Fortschritte in der Persönlichkeitsentwicklung gemacht, ihr soziales Miteinander hatte sich verbessert, ja sogar Kinder, die zuvor durch Aggressivität aufgefallen waren, zeigten sich jetzt friedlicher. In seinem neuen Buch „Hund & Mensch“ veranschaulicht der Verhaltensforscher, warum Kinder, die mit Hunden aufwachsen, massiv in ihrer körperlichen, emotionalen und sozialen Entwicklung profitieren. Und nicht nur das, Hundehalter seien insgesamt glücklicher, gesünder und emotional stabiler. Hunde schützen uns sogar vor Altersdepression und Vereinsamung. Das sei durch eine Reihe von repräsentativen Studien gut belegt, so Kotrschal im VIA-Interview.
Hunde erden und stabilisieren
So seien Hundehalter in Deutschland, Australien und China gesünder als vergleichbare nicht-Hundehalter und müssten um zehn bis 18 Prozent seltener den Arzt aufsuchen. „Hunde können gute Puffer gegen Alltagsstress sein, sie erden und stabilisieren Menschen und sie halten sozial auch mit anderen Menschen verbunden. Sie tragen damit wesentlich zur emotionalen Balance bei – der wichtigste Faktor für ein langes, gesundes und gelungenes Leben, wie wir heute wissen.“ Kotrschal geht sogar so weit, von Seelenverwandtschaft zu sprechen. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Ist der Hund gewissermaßen das „Alter Ego“ des Menschen? Ja, sagt der Verhaltensforscher. Die soziale Passung sei bereits zwischen Wolf und Mensch erheblich. In 35.000 Jahren Anpassung an ein Leben mit uns entstanden aus den Wölfen die heutigen Hunde.
„Wir sind also tatsächlich seelenverwandt, da es kein anderes nicht-menschliches Tier gibt, das uns ähnlicher ist als der Hund. Eine Art Hybridwesen, ein wenig Mensch auf vier Beinen, gewissermaßen.“ Gerade in unserer schnelllebigen Zeit seien Hunde ein Regulativ, das uns zwingt, ab und zu innezuhalten. „Hunde verweigern sich der digitalen Kommunikation, sie zwingen uns daher zu direktem Umgang.“
Hund & Mensch
Das Geheimnis unserer Seelenverwandtschaft
Brandstätter-Verlag
Gebundene Ausgabe,
272 Seiten
Preis: € 24,90
Über den Autor
Kurt Kotrschal widmet der Erforschung der Hundeseele fast sein gesamtes Berufsleben. Er ist Professor an der Uni Wien, leitet die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau und ist Mitbegründer des Wolfsforschungszentrums in Ernstbrunn. Auch nach Dienstschluss begleitet ihn sein Lebensthema: Seine Hündin Bolita weicht kaum von seiner Seite.
CLAUDIA PILLER-KORNHERR
Beitragsbild: Rooobert Bayer/Brandstätter Verlag