Unterwegs im grünen Herzen Italiens – zur Hauptsaison der Trüffelsuche zog es uns nach Umbrien, der Heimat des edlen Gewächses. Mitunter, um die Unwiderstehlichkeit von Pasta al tartufo zu erleben.
Wenn der Morgennebel die Zypressen, Oliven- und Pinienbäume umhüllt und die aufsteigende Sonne die Szenerie in ein geheimnisvolles Licht taucht, wird der Zauber Umbriens spürbar. Zwar muss Umbrien auf den direkten Zugang zum Meer verzichten, dafür beschert diese Tatsache der Region den Beinamen „das grüne Herz Italiens“. Umbrien wird nicht selten als neue Toskana gehandelt, bloß weniger überlaufen und durchaus günstiger.
Hier gedeihen weiße und schwarze Trüffel nebeneinander und bilden markante Anziehungspunkte für Feinschmecker. In der Hügelwelt Nordumbriens trifft man gut und gerne Trüffelsuchende auf zwei und vier Beinen. Kleiner Tipp: Die Pasta al tartufo schmeckt in der einfachsten Trattoria am besten. Im Dorf Sant’Anatolia di Narco residiert der nach eigenen Angaben größte Trüffelproduzent der Welt, Urbani Tartufi. Das Familienunternehmen besteht seit 1852 und versendet seine Spezialitäten mittlerweile weltweit – frisch, gefroren, konserviert – oder verwandelt sie in Produkte wie Pürees, Soßen und aromatisierte Öle.
Begeistert von der unberührten Natur der umbrischen Bergwelt wandern wir weiter auf den Spuren von Franz von Assisi. Assisi ist einer der beeindruckendsten Orte der Region und besonders mystisch wird es im Eremo delle Carceri, der ersten von Franziskus gegründeten Einsiedelei, die sich hoch oberhalb von Assisi in den Abhängen des Monte Subasio inmitten praller Vegetation versteckt. Von hier aus entdeckt man auch das eine oder andere grasende Schaf, das den essenziellen Rohstoff für Käsereien wie die von Walter Fachhini liefert. In Gruben lässt er einen der besten Pecorinos Italiens reifen.
Übrigens ist Umbrien die historische Wiege der Weihnachtstraditionen. „Als Begründer der Weihnachtskrippe gilt der heilige Franz von Assisi, der 1223 in Greccio – nördlich von Rom – anstelle einer Predigt mit lebenden Tieren und Menschen die Weihnachtsgeschichte der Heiligen Nacht darstellte“, erklärt Fremdenführerin Simona Fanelli. Diese Traditionen halten sich bis heute. Schauspielende Familien laden zu einer berührenden Zeitreise nach Bethlehem vor mehr als 2.000 Jahren ein. Das ist Weihnachten hautnah.
Umbrien punktet bei Wanderern und Ruhesuchenden durch viele abgeschiedene Flecken, aber natürlich kommt es nicht ohne das fröhliche Leben der Italiener in ihren authentischen Dörfern aus. Spello und Trevi etwa sind als die schönsten Dörfer Italiens zertifiziert. Malerisch sind beide, ohne Zweifel. Hier bummelt man durch mittelalterliches Ambiente und sucht sich für den nächsten Espresso in aller Ruhe einen Platz in der Sonne.
Nächtigungstipp für Verwöhnte: das Agriturismo Montali oder das Borgo della Marmotta. Beide Landgüter versprechen Annehmlichkeiten von Pool bis Sauna und einen wundervollen Weitblick, mitunter auf den Lago Trasimeno, den viertgrößten See Italiens. Familien werden sich im Pian Di Cascina, einem alten Bauernhof eine halbe Stunde von Gubbio entfernt, wohlfühlen. Die Betreiber sind selbst Eltern von drei Kindern und haben bei der Ausstattung an wirklich alles gedacht. Die beste Reisezeit? Das ganze Jahr über.
Im unglaublich grünen Frühling erwacht das Leben in Umbrien, im Sommer explodiert die Blütenpracht. Im Herbst symbolisieren Oliven- und Weinernte das wahre Leben und im Winter bleibt Umbrien gefühlt immer ein wenig grüner als der Rest der Welt. Sempreverde – immergrün.
Die pittoreske und autofreie Altstadt Orvietos mit ihren kleinen Gassen, entzückenden Cafés, Konditoreien, Restaurants und verträumten Geschäften ist mehr als einen Zwischenstopp wert. Der gigantische Dom ist auch als einer der „1000 Places To See Before You Die“ in dem bekannten Buch von Patricia Schultz gelistet. Eine Sehenswürdigkeit ist darüber hinaus der Festungsbrunnen Sankt Patrick mit einem Durchmesser von 13 Metern und 70 eingebauten Fenstern, die sich zu zwei Wendeltreppen hin öffnen. Das ermöglichte Lastentieren, in den Brunnen hinab- und wieder hinaufzusteigen. Tipp: Wein und Olivenöl aus eigener Produktion kosten und kaufen kann man etwa im Shop Bartolomei L’olio Orvieto.
Auch die Stadt Perugia hat architektonische Perlen zu bieten und nährt das reisende Bauchgefühl mit mit Nougat und Haselnüssen gefüllten „Baci Perugina“ (Küsse von Perugia). Rund 500 Millionen Stück des Kultkonfekts werden angeblich pro Jahr weltweit ausgeliefert. Das Erfolgsgeheimnis der „Küsse“ scheinen die beigelegten Zettelchen mit einer Botschaft zu sein. Der Giardino Caducci ist ein zauberhafter Ort, um den Tag in Perugia zu beginnen. Der Garten ist oben auf der Rocca Paolina angelegt, mit herrlichem Rundblick über das weite Valle d’Umbra. Ein Buch mitnehmen oder einfach nur Händchen halten! Spektakulär, wenn auch auf den ersten Blick total unscheinbar: die Rundkirche für den Erzengel Michael, Chiesa di San Michele Arcangelo oder kurz Sant’Angelo. Über 1500 Jahre steht sie schon hier und entfaltet ihren vollen Zauber erst beim Betreten des Innenraums: 16 antike Säulen, 16 antike Kapitelle, gemauerte Bögen und mystisches Licht.
Im Laufe dieser Reise wird klar: Man kann auch ohne Meer glücklich sein. Mitten in Umbrien.
TINA VEIT-FUCHS
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