Tasmanien – Zum Teufel mit Tassie

Tasmanien
Die Aussies mögen Tassie. Denn Tassie, wie sie Tasmanien gerne nennen, ist tierisch cool, tierisch feucht und überhaupt ziemlich tierisch. Sie haben recht, obwohl Abel Tasman davon nichts mitbekommen hat und Errol Flynn lieber Pirat spielte.

Tasmanien ist die größte Insel Australiens, zugleich der südlichste australische Bundesstaat und liegt 240 Kilometer südlich von Melbourne. Das ist nicht besonders weit weg. Aber weit genug, um einen gefühlten anderen Kontinent zu betreten, nach zehn Stunden mit der Autofähre Spirit of Tasmania durch die Bass-Straße. Die kann recht ruppig sein, wenn die Roaring Forties toben. Das sind die Stürme am 40. Breitengrad, die das ­Klima unbeständig und regnerisch machen können.

Cradle Mountains

Die Cradle Mountains mit ihren Bilderbuchgipfeln gehören zu den zahlreichen Naturschönheiten Tasmaniens.

Und das tun sie gerne und gründlich. Wüsten gibt es keine, auch kein dürres Buschland mit Salzseen, dafür viel vermooste Wilderness, tropfenden Farn und tosende Brandung. Kein Wunder, dass viele der weltgrößten Segelregatten Zwischenstation in Hobart machen, der tasmanischen Hauptstadt am Fuß des Mount Washington, wo sich archaische Blicke durch fantastische Wolkentürme auftun, hinunter auf gischtige Buchten und Regenbögen allüberall. Die Gipfelstraße führt hier bis auf 1.300 Meter, weit über die Baumgrenze hinaus. Alles ist möglich, und zwar ganzjährig: Abrupte Wetterwechsel können in mittleren Lagen auch Schnee im Sommer bringen. Kein Wunder, dass manch koreanische Trekker auf dem zehntägigen Overland-Trail durch den Nordwesten neonfarbene Überlebensausrüstung inklusive Signal­raketen mitführen, sicher ist sicher.

Trotz der geografischen Breitenlage von Istanbul oder Barcelona auf der Nordhalbkugel können hier auch heiße Badetage – und die gibt es wirklich – im Graupelschauer enden. Rund 300 Kilometer lang und breit, hat Tasmanien die Größe Irlands und ist etwa neunmal größer als Salzburg. Über ein Drittel der Fläche teilen sich rund 20 Nationalparks, etwa 25 Prozent der Insel genießen heute als UNESCO-Weltkulturerbe besonderen Schutz.

Port Arthur

Bluthunde bewachten einst das Gefängnis der Sträflings­kolonie Port Arthur.

Ohne die Gründung der United Tasmania Group (UTG) 1972, der weltweit ersten offiziellen Grünbewegung, würde Tassie wahrscheinlich anders aussehen. Dabei verkörperte Errol Flynn, bis heute der bekannteste Tasmanier, bereits in den 1940ern als „Robin Hood“ den König der Wälder und den „Herrn der Sieben Meere“. Ein bisschen Tassie ist da wohl auch in Hollywood schon damals dabei gewesen.

Abel Tasman, eigentlich hauptberuflich Entdecker, hielt das grüne Eiland 1642 für einen Teil Australiens, nannte es nach seinem Auftraggeber Van Diemen’s Land und segelte einfach vorbei. Es dauerte bis 1798, bis überhaupt klar war, dass der grün überwucherte Flecken Land eine Insel war. Erst 1825 wurde Tasmanien zu einer eigenständigen Kolonie. Eine halbe Million Menschen leben heute hier, statistisch rund sieben pro Quadratkilometer, und nicht alle sind Draufgänger wie Mr. Flynn. Das Land ist zwar doppelt so dicht besiedelt wie Australien, schafft aber nicht einmal ein Zehntel des Bundeslandes Salzburg.
Nicht alle kamen freiwillig, denn das sturmumtoste und garantiert ausbruchsichere Tasmanien war lange bestens zur Aufbewahrung unliebsamer Schwerkrimineller geeignet:

Port Arthur

Die Gefängnisruinen von Port Arthur sind heute eine Touristenattraktion.

Port Arthur zum Beispiel, wo ein paar Bluthunde an der engsten Stelle der Halbinsel genügten, jeden Ausbruchversuch unerfreulich zu machen. Heute sind die Hunde Statuen aus Stein. Und längst wollen alle dorthin, um die Ruinen der Weltkulturerbe-Siedlung zu sehen, die Pubs von Hobart zu testen. Oder auf den Barnbougle Dunes Golf zu spielen; Oder lieber das MONA (Museum of Old and New Art) zu besuchen, wenn es wieder einmal schräg nieselt, was Wellenreiten nur halb so lustig macht.

Doch die meisten kommen der Einsamkeit wegen. Wegen Mooren und Bergseen am Cradle-Mountain-Lake- St.-Clair-Nationalpark, mit Bilderbuchgipfeln im Herzen der Wälder. Wegen Klippen und weißen Sandstränden an der Wineglass Bay, oben im Freycinet-Nationalpark. Wegen Schnabeligeln (Echidnas), Schwarzen Schwänen und Glühwürmchenhöhlen inmitten triefender Baum­farne. Auch wegen merkwürdiger Schnabeltiere, die nächtens in den Bächen ihren Spaß haben.

Abel Tasman

Abel Tasman segelte erst mal an Tasmanien vorbei, bis klar war, dass es sich hier um eine Insel handelt.

Die giftige Tierwelt Australiens ist weit weg, nur drei der vierzig Giftschlangen dort sind hier daheim, und der Rest der Fauna längst niedlich und meist friedlich: Dingos sind drüben in Australien geblieben und der Tasmanische Tiger ist ausgestorben, sofern es ihn je gegeben hat. Und für drei Meter große Kängurus und Wombats in Eselgröße hätte man vor ein paar Tausend Jahren da sein müssen.

Wombats sind ferkelgroße Beutelbären, die abends nicht nur im Narawntapu-Nationalpark wie Hunderte Kängurus aus den Wäldern kommen und in aller Ruhe grasen können. Denn die Tasmanischen Teufel – schwarzfellige, aggressive Kerlchen und eigentlich deutlich kleiner – haben seit einigen Jahrzehnten andere Sorgen, sterben reihenweise an Gesichtskrebs und werden nur notdürftig in Zuchtstationen lebens­fähig gehalten. Dort fallen sie höchst munter übereinander her, wenn die Ranger blutfrische Wallaby-Waden zum Abendessen über den Zaun werfen. Great, Mate! Mr. Flynn hätte da wohl seinen Spaß gehabt, Teufel noch mal.

 

Von Günter Spreitzhofer

 

Info

Visum für Australien (für EU-Bürger erforderlich) bis drei Monate kostenfrei; davor elektronisch registrieren auf: eta.immi.gov.au
Anreise: Die meisten Flugverbindungen erfolgen über das australische Festland hobartairpt.com.au
Fähre: täglich zwischen Melbourne und Devonport spiritoftasmania.com.au

 

Beitragsbild: Tony Lomas/iStock