Zwei Dinge sollte man auf jeden Fall im Gepäck haben, wenn man Neapel besucht: Abenteuerlust – und gute Nerven im Straßenverkehr. Ein Erlebnisbericht der
VIA-Herausgeber.
Wem bei turbulenten Autofahrten schnell übel wird, der sollte sich einen Trip nach Süditalien gut überlegen. Denn neben Nerven aus Stahl braucht man einen stabilen Magen, wenn sich auf (bei uns als einspurig titulierten) Fahrbahnen plötzlich bis zu drei klapprige Vehikel auf einmal das Rennen streitig machen, die in Kurven nicht daran denken, vom Gas zu gehen – und man währenddessen einfach nur irgendwie versucht, es wieder lebend aus der anarchischen, ständig hupenden Blechlawine herauszuschaffen.
Neapolitanisches Chaos
Für Neapolitaner – oder Süditaliener allgemein – ist das einfach nur eines: ganz normaler Alltag. So viel zum Verkehr. Chaotisch mutet die Metropolitanstadt Kampaniens aber nicht nur auf der Straße an. Schon als wir unsere Unterkunft, ein Airbnb in „guter“ Lage, beziehen, wird klar: Ein Neapel-Besuch ist viel – aber sicher nichts für Zartbesaitete. Das obskure Stiegenhaus könnte als Kulisse eines Gruselfilms Karriere machen. Drei Sicherheitstüren, die unser Quartier von der Außenwelt trennen, sprechen für sich. Auf dem Weg durch die engen Gässchen zeugen hoch aufgetürmte Abfall-Potpourris von Neapels Müllproblem.
Da sind aber noch zig weitere Kuriositäten, die uns zum Staunen bringen: etwa Motorräder, die aussehen, als könnten sie höchstens noch als Ersatzteillager dienen. Die Tatsache, dass sie mit massiven Ketten abgesperrt wurden, lässt jedoch vermuten, dass sie noch voll im Einsatz sind. Mit fetten Ketten abgesperrt sind in Neapel übrigens auch die klassischen Metall-Wäscheständer, die (in meist desolatem Zustand) die Hauseingänge zieren.
Es gibt nichts zu beschönigen: Die Armut ist in der Stadt vielerorts zu spüren. Nicht direkt sicht-, aber dennoch diffus wahrnehmbar ist auch die immer noch vorhandene Schattenwirtschaft der Mafia. Nicht umsonst sind alle neuralgischen Punkte mit Polizisten besetzt. Für unsereins ungewohnt ist ebenso die teils sehr offen zur Schau gestellte Gläubigkeit der Neapolitaner – in Form von Heiligenwinkeln mit Arrangements aus Heiligenbildern, Lichterketten und sonstigem geschmackstechnisch fragwürdigem Kitsch.
Von Pizza und Piazzi
Wer allerdings jetzt glaubt, ein Trip nach Neapel zahle sich nicht aus, irrt. Denn natürlich hat die drittgrößte Stadt Italiens auch ihre schönen Seiten – nicht umsonst ist etwa die Altstadt seit 1995 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Wer italienische Kaffeehäuser und Bars liebt, kann hier den ganzen Tag von einem zum anderen tingeln, um den besten Kaffee zu küren, oder sich bei einem Sprizz oder Limoncello stärken. In Sachen Frühstück empfiehlt es sich, die regionalen Bäckereien durchzuprobieren – gut und günstig!
Keineswegs außer Acht lassen sollte man in Napoli außerdem die Pizza. Immerhin hat sie hier ihren Ursprung! Zu den bekanntesten Pizzerien der Stadt zählt die „L’antica Pizzeria Da Michele“, in der bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts die typisch neapolitanischen Sorten Margherita und Marinara aus dem Ofen kommen. Übrigens die Pizzeria, in der sich Julia Roberts im Film „Eat, pray, love“ die bislang beste Pizza ihres Lebens gönnt. In Sachen Preis gibt es beim Essen keine großen Unterschiede zu Österreich.
Sehenswert, wenn auch ein Touristenmagnet, ist die Piazza Dante, benannt nach Dante Alighieri, der als Vater der italienischen Sprache gilt. In der Fußgängerzone trifft man auf neapolitanischen Trubel par excellence, mit regelmäßigen Ausstellungen, Volksfesten und jeder Menge Gastronomie. Ausgehend von der Piazza Dante gelangt man auf eine der größten Einkaufsstraßen Neapels, die von Boutiquen und Shops großer Ketten übersäte Via Toledo. Optisch beeindruckend ist die Einkaufsgalerie Umberto mit ihrer neoklassischen Architektur. Wer nach Neapel kommt, sollte sich auch die Altstadt, das Centro Storico, mit zig Kunst- und Buchläden nicht entgehen lassen. Wer gerne exklusiv und teuer einkauft, findet die Top-Designershops im Stadtteil Chiaia.
Am Ende der Via Toledo – die übrigens auch oft als Via Roma bezeichnet wird – liegt die Piazza Plebiscito mit dem Königspalast, dem Palazzo Reale sowie das populärste neapolitanische Kaffeehaus, das 150 Jahre alte „Gran Caffé Gambrinus“, in dem einst Künstler wie Oscar Wilde, Ernest Hemingway und Jean-Paul Sartre gustierten. Ebenfalls einen Abstecher wert ist der Hafen mit einem der imposantesten Wahrzeichen der Stadt: die Festung Castello Nuovo an der Piazza Municipio, ein Relikt des sizilianischen Königreiches, das mittlerweile das Museo Civio beherbergt.
Perspektivenwechsel
Einen turbulenten Ameisenhaufen wie Neapel sollte man auch von oben gesehen haben, nicht wahr? Dazu nimmt man einfach die Seilbahn (Funicolare) auf den Vomero-Hügel, auf dem auch die Burg Castel Sant’Elmo thront.
Hoch hinaus geht’s auch bei einem Ausflug auf den Vesuv – aber Achtung, die einstündige Busfahrt auf den Vulkan ist nichts für schwache Nerven! Stichwort süditalienischer Fahrstil. Endlich oben angekommen, wartet ein Blick in den massiven, dunklen Krater – das muss sein. Und ein Stück verkohltes Vulkangestein als Souvenir, bevor man sich wieder auf den Weg nach unten macht. Geschichtsinteressierte können bei dieser Gelegenheit auch gleich einen Ausflug nach Pompeji mit einbauen – die Stadt, die beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79. n. Chr. verschüttet wurde, dabei aber unter der Vulkanasche großteils konserviert blieb.
Rundum-Trips und -Tipps
Als Tagesausflugsziele von Neapel aus empfehlen sich neben Vesuv und Pompeji auch die Amalfiküste (mit prominenten Romantik-Hotspots wie Positano) sowie die Inseln Ischia und Capri. Nach Capri geht’s mit der Fähre ausgehend vom Molo-Beverello-Hafen in Neapel. Nach etwas mehr als einer Stunde erreicht man Capris Hafen Marina Grande. Von dort aus gelangt man mit der Seilbahn zur Piazetta und kann dort auf Capris Gässchen und Einkaufsmeilen herumbummeln. Fazit: Sollte man gesehen haben – aber am besten erst ab Oktober, außer man hat ein Faible für Touristenhorden.
Was man wissen sollte: Der richtig schöne Teil der nur 10,4 Quadratkilometer kleinen Felseninsel ist nicht der, den man bei der Ankunft zu Gesicht bekommt. Die idyllischen Badespots befinden sich nämlich auf der anderen Seite – wie auch Capris bekannteste Wahrzeichen, die Grotta Azzurra (Blaue Grotte) und die Faraglioni-Felsen, die man am besten von den üppig blühenden Gärten des Augustus aus bewundert. Ausgehend von dort kommt man auch auf die Via Krupp, einen spektakulären Serpentinenweg. Der mit dem Auto nicht befahrbar ist – in Anbetracht der regionalen Fahrweise wahrscheinlich auch besser so …
EDITH und HARALD KOPETER
Mehr Reisetipps rund um Neapel:
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www.portanapoli.de
Beitragsbild: photocase_pfv_2441224