Yangshuo. Zwischen Li und Lotushügel

Der kleine Hippie-Geheimtipp in Südchina ist erwachsen geworden, doch idyllisch schön geblieben:
Die bizarren Kegelkarstklippen sind ein Paradies für Kreuzfahrer, Kletterer und Karaokesänger – und besser erschlossen denn je zuvor.

Es war einmal ein kleiner Ort, idyllisch inmitten der dunstigen Kalkklippen Südchinas gelegen, ein Paradies für ein paar zivilisationsmüde Aussteiger. Ein paar kleine Gästehäuser gab es, Wasserbüffel vor der Tür und ab und zu eine knallrote Beiwagenmaschine, auf der fünf bis sechs Chinesen in der blaugrünen Arbeitskluft der Werktätigen frühmorgens in ihren Steinbruch ratterten. Es war staubig auf den Straßen, der Duft nach Baozi (gefüllte Knödel) hing schwer in der Luft und man trank seinen grünen Morgentee auf morschen Stühlchen in Zwergengröße. Wenn es dunkel wurde, gingen die Lichter aus und nur die Öllampen der Kormoranfischer am Li Jiang flackerten hastig im windigen Zwielicht. Es war eine schöne Zeit.

Foto: Shutterstock/ aphotostory

Der Ort hieß Yangshuo und liegt immer noch in China. Auch der Grüne Lotusfelsen und der Drachenkopfhügel und die anderen Klippen sind noch da, Aberhunderte, eine märchenhafter als die andere. Aber das ist schon alles. China ist anders geworden, gewachsen und erwachsen. Größer und mächtiger denn je zuvor und stolz auf seine einzigartigen Naturschönheiten. Davon hat die Gegend genug, die eigentlich nur ein Verwaltungskreis der Millionenstadt Guilin in der Autonomen Provinz Guangxi in Südchina ist. Hauptort und Verwaltungszentrum ist Yangshuo selbst, das lange schon kein beschauliches Örtchen mehr ist: Noch im Jahr 2000 lebten hier nicht einmal 40.000 Menschen, 2016 bereits weit über 100.000. Hier lässt sich’s prächtig leben, seit China den Urlaub für seine Werktätigen entdeckt hat. Und die werktätigen Zuwanderer wissen, was sich gut verkaufen lässt.
Längst ist es keine Schwierigkeit mehr, rasch und bequem anzureisen. Luxusbusse brauchen nur mehr acht Stunden bis Guangzhou, jenseits von Hongkong, seit die neuen Autobahnen fertiggestellt sind. Flughafen und Bahnhof von Guilin sind in weniger als einer Stunde erreichbar, wenn nicht wieder ein Konvoi von Wasserbüffelkarren die neue Straße lahmlegt.
Die meisten kommen aber per Schiff: Die Tagestouren ab Guilin haben lange Tradition. Stundenlang den Li Jiang gemächlich stromabwärts zu treiben, durch die Bilderbuchlandschaft der kamelbuckelförmigen Karstklippen, klingt nach Urlaub. Das denken viele, ist diese Flusslandschaft ja sogar auf der 20-Yen-Banknote abgebildet. Schon Han Yu, ein großer Dichter aus der Tang-Dynastie, schwärmte:

„Der Fluss windet sich wie ein blaues Seidenband, während ihn die Hügel rundum wie grüne Haar-nadeln aus Jade umgeben.“

Das neue Dock von Mopanshan ist auf drei Millionen Touristen jährlich ausgerichtet.

Fotos: Spreitzhofer

Die kommen nicht gleichzeitig. Aber wenn 65 Schiffe hintereinander mit je 120 Passagieren ab 9 Uhr 30 starten, lässt das keinen Reiher mehr kalt. Denn 65 Schiffslautsprecher haben Sagen und Schwänke zu jedem Felsen parat, viele davon auch jüngst erst erfunden. 60 Kilometer lang geht es im Konvoi, denn oft ist gerade genug Wasser, um zwischen den Sandbänken durchzukommen und die badenden Wasserbüffel nicht zu beleidigen. Zwischen dem Sehnlich-Warten-auf-den-Gatten-Fels und dem Schreib-Feder-Hügel wird Reis auf Styropor gereicht, zwischen dem Gefleckten Hügel der Neun Pferde und der Fluss-Schnecken-Klippe dann grüner Tee in Plastik serviert.

Das Oberdeck ist meist für den Schiffsfotografen reserviert, der Familie Ping mit ihrer Babytochter Pong so oft ablichtet, bis sich deren samtrosa Schnellfeuerhose füllt. Am Unterdeck legen Fischer auf Bambusflößen an, die zufällig Souvenirs und Wechselgeld dabeihaben. Und sechs Stunden später landen wir, Boot 49 an diesem Tag, am neuen Pier von Yangshuo, den nur mehr eine 800 Meter lange, überdachte Souvenirstraße vom eigentlichen Ort trennt, der inmitten seiner pittoresken Gipfelkulisse so magisch ist wie immer schon.

 

Foto: Spreitzhofer

Organisieren lässt sich fast alles fast überall. In Monkey Jane’s Guest House zum Beispiel. Oder im Cafè Under the Moon, wo es Pancake und Gulasch für all diejenigen gibt, die Laoshugan (gebratene getrocknete Ratte mit Chili und Knoblauch) oder Songshugan (gebratenes Eichhörnchen) nicht viel abgewinnen können. Ein bisschen Hippie-Hype ist längst auch für junge Chinesinnen ziemlich schick, die aber kaum Kochsitzungen, Kalligrafie oder Sprachkurse belegen, sondern lieber eine Floßfahrt mit Liegestuhl am Yulong (einem Nebenfluss des Li Jiang) buchen oder Ballon fahren gehen. Auch Klettern am Yuleiang Shan (Mondhügel), früher ein Naturschauspiel für ein paar versprengte Langnasen, ist mit Stöckelschuhen gar nicht einfach. So singen sie lieber Karaoke, so schrill und falsch, dass dem kräftigsten Kormoran der Fisch im Hals stecken bleibt. Urlaub in China ist schön. Und laut. Auch ohne knatternde Beiwagenmaschinen, denn die haben inzwischen Fahrverbot.

 

Info

Visum vor Reiseantritt erforderlich!
Konsularabteilung der Botschaft:
Neulinggasse 29/1/3, 1030 Wien
Tel.: +43 (0) 1/710 36 48, www.chinaembassy.at
Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China: Ilkenhansstraße 6, 60433 Frankfurt/Main
Tel.: +49 (0) 69/52 01 35, www.china-tourism.de
Reisezeit: Die südöstliche Region hat viel
Regen, fast tropische (feuchte) Sommer und
kühle (meist trockene) Winter.