Hochprozentig lokal – Lokales hochprozentig: Wo die Macher der besten Spirits des Landes aufeinandertreffen, fängt unsere VIA-Verkostung an. Hart war dabei wenig.
Eine faszinierende Landschaft, von eigenwilligen Vulkanen und saftigen Hügelwelten geformt. Ein bisschen Schottland wohnt auch in der Steiermark, selbst wenn der Dudelsack wohl niemals die heimische Quetschentradition ablösen würde.
In den „Highlands“ von Riegersburg fehlen zwar Klippen und Meer, nicht aber Uisge Beatha – gälisch für „das Wasser des Lebens“. Rye-(Roggen-)Whiskey aus dem amerikanischen Eichenfass, Spelt-(Dinkel-)Whiskey aus dem Virgin American White Oak Barrel und Ruediger, der Erste – ein Blend aus fünf Getreidesorten von weich-schokoladig bis kräftig-stürmisch. Ein minimaler Auszug aus den bis zu 1000 Fässern, die im Ruotker’s, einem Haus für Whiskey, Gin und Rum, die nächste Generation Gölles in Riegersburg erlebbar macht.
Früher war der Standort ein Gasthaus samt Obstlager, seit Herbst 2019 tobt sich hier David Gölles aus und bietet Führungen wie Verkostungen an. Sein Vater Alois, in der Südoststeiermark Essigpionier in dritter Generation, ist für seinen Apfel-Balsam nach dem Vorbild italienischer Balsamici von Genießern geschätzt und von Mitbewerbern oft kopiert. Große Geschmäcke werfen ihre Schatten voraus. Das Experimentieren liegt den Gölles-Herren offensichtlich im Blut.
Spirits of Styria
Über 400 internationale Whiskeys und Rums warten in der Bar des Hauses auf verkostungswütige Gaumen, viele davon hat David Gölles selbst noch nicht probiert. „Deshalb gehört mir auch jeder zweite Schluck“, scherzt der Hausherr, der das Ruotker’s mit seiner Partnerin Katharina Fleck führt.
Bei unserer VIA-Verkostung konzentrieren wir uns ausschließlich auf heimische Spirits und gemeinsam mit uns blicken die Produzenten Lisa Bauer, Johannes Firmenich, Reinhard Jagerhofer, Wolfgang Thomann, Roman Schmidt und Alois Gölles himself gespannt auf ausgewähltes Hochprozentiges. Am Verkostungstisch nimmt „außer Konkurrenz und nur zum Eingrooven“ (Gölles) Alfred-Wermut, eine Kollaboration aus Grundweinen von Winzer Manfred Tement und Ansätzen wie Weinbränden von Alois Gölles, Platz. Im Hintergrund läuft Elton Johns „Rocket Man“ und in den Augenwinkel drängt sich fast schon penetrant die imposante Riegersburg. What a perfect setting!
Vier Hügel weiter ist Lisa Bauer zu Hause. Am Weinhof ihrer Eltern hat die 27-Jährige die Marke „DeVin Gin“ etabliert und wir verkosten ihren halbtrockenen Muskateller-Wermut, der mit Aromen wie Römerkamille aus Griechenland und Melisse spielt. „Der weltweite Hype um Gin hat die Bitternoten wieder ins Spiel gebracht. Deshalb funktioniert Wermut erneut“, so Bauer. Die Kollegen notieren eine feine Nuance Tonkabohne in der Nase – lieblich, aber dennoch nicht zu süß. Ein ideales Einsteiger-Exemplar.
Apropos Gin: „Der beste Vorwand, Gin zu trinken, ist, ihn selbst zu produzieren“, ist Wolfgang Thomanns Prämisse. Vor über 25 Jahren begann alles mit einem Kupferbrennkessel und Obst aus dem eigenen Garten. Heute brennt er gemeinsam mit seinen Kindern Lisa, Markus und Paul biologischen Wacholderschnaps im südsteirischen St. Nikolai, hergestellt in der ehemaligen Weutz-WhiskeyDestillerie. Er war maßgebend daran beteiligt, die Steiermark auf internationalem Terrain als Gin-Hochburg zu festigen.
Sein Aeijst Umbra ist herrlich würzig-fruchtig und von gerösteter Kakaobohne (Schokoheld Sepp Zotter liefert!) wohlig umrahmt. Mit 41,5 Volumenprozent fast schon „ein Wasserl“ (Thomann), aber trotz vollem Messino-Keks-Duft „gar nicht üppig und ein großes Kino“, so der Tenor. Starke 57,5 Prozent hat Lisa Bauer ihrem Marinero Navy Strength Gin zuzuschreiben. Primär forciert auf die hohe Gradation erlebt man den unverfälschten Juniperus gepaart mit Blutorange. Zitrusnoten dominieren auch den STIN Styrian Overproof, den seine Macher Johannes Firmenich aus der Südsteiermark und Reinhard Jagerhofer aus der Oststeiermark in die Runde schicken. 28 Botanicals beinhaltet der flüssige Kraftlackel, der es trotz hoher Öligkeit schafft, schwungvoll und frisch daherzukommen. „Hinten raus schmeckt er fast schon pfeffrig“, meint David Gölles und spricht der Kreation wertvollen Mischgetränke-Charakter zu. STIN-Fans dürfen sich im Sommer 2020 über einen zweiten Standort freuen – die Produktion wird nach Kopfing bei Kaindorf ausgelagert.
Spielplatz und Popcorn
Schwarze Ribisel fordert uns beim Aeijst Barrel Aged Gin, der im neuen Eichenfass sowie in einem gebrauchten Rumfass reifte. Letzteres ist für die wunderbare Harzigkeit verantwortlich. „Dieser Gin weckt das Gefühl, als stünde man in einer Tischlerei. Ein Duft wie frisch gesägtes Holz – Hammer!“, ist Roman Schmidt von der Bier- und Whiskeymanufaktur Lava Bräu in Auersbach begeistert. Seit 2007 wird bei Lava Bräu Bio-Whiskey gebraut und schonend destilliert.
Zwei Jahre später hielt eine weitere Innovation Einzug: Erstmals wurde Single MaltWhisky im Vakuum gebrannt. „Diese Form der schonenden Destillation bewährleistet eine enorme Geschmacksvielfalt. Die durch das Vakuum in der Brennblase geringen Temperaturen sorgen für die Erhaltung der Aromenvielfalt“, erklärt Schmidt und präsentiert den „Smoky“, ein hundertprozentiges Gerstenmalz-Destillat aus 2016. Wir erkennen dezenten schottischen Rauch in der Nase und pure Fruchtigkeit am Gaumen. „Ja, Malz kann auch eine fruchtige Geschichte sein“, schmunzelt Schmidt und setzt mit dem Single Malt „Brisky“ noch einen drauf. „Das ist unsere Interpretation von XA-Essig“, sagt Schmidt in Richtung Alois Gölles und die einzige Dame in der Runde stimmt zu: „Die Note von trockenem Brot spricht mich voll an.“
Höchste Zeit für die Show des Hosts David Gölles. Wir sind bei Rum angelangt. Ruotker’s Ron Johan Strong ist, wie der Name vermuten lässt, stark, dunkel, kraftvoll und nicht zuletzt aufgrund seiner sechs bis zehn Jahre Lagerung in Weißeichenfässern und Ex-Bourbonfässern enorm aromatisch. „Ich bin stets auf der Suche nach außergewöhnlichen Fässern und spiele damit. Alles, was mir beim Experimentieren taugt, wird dann in Serie produziert“, schildert Gölles junior. Jene Spinnereien betrachtet er als „Spielplatz“ – Cash-Cows sind sie keine. Eine Granate ist jedenfalls der Old Plum um – wunderbar weich, weil sein Finishing über ein Jahr im „Gölles Alte Zwetschke“-Fass stattfand. „In unserem Genusshotel Riegersburg haben wir schon Whiskey-Menüs veranstaltet. Maisschaumsuppe mit Popcorn und dazu ein Mais-Whiskey – das kann schon was“, so Gölles.
Zum Vergleich jagen wir die „Alte Zwetschke 1999“ vom Senior hinterher. Da legt der Meister 1985 einfach mal ein paar Zwetschken in Fässer und dann kommen derartige Spielarten dabei raus. Vor Ehrfurcht liegen wir fast unterm Tisch. Gibt es noch eine Draufgabe? „Alter Pfirsich 2009“ ist mit 60,2 Prozent ein wilder Hund und gleichzeitig Lieblingsschnaps von Alois Gölles. Eine derart penetrante Reife eines Sommerpfirsichs hat nicht mal ein Sommerpfirsich selbst. Unglaublich. Und trotzdem greift der Konsument lieber zur destillierten Gölles-Marille. Noch unglaublicher.
David Gölles grinst: „Wenn wir im Südosten in Sachen Destillate weiter an Qualitätsdichte gewinnen, sind wir bald das Schottland Österreichs!“
TINA VEIT-FUCHS
Ruotker’s – House of Whiskey, Gin & Rum
Lembach 16, 8333 Riegersburg
ruotkers.at
DeVin Gin
Ederberg/Ödgraben 8
8361 Fehring
devin-gin.at
Aeijst
8505 St. Nikolai im Sausal 6
aeijst.at
STIN
Wielitsch 57, 8461 Ehrenhausen an der Weinstraße
stin.at
Lava Bräu
8330 Auersbach 130
lavabraeu.at
Gölles Manufaktur
Stang 52, 8333 Riegersburg
goelles.at